Auf den Intensivstationen geht es täglich um Leben und Tod. In Pandemiezeiten ist die Situation besonders kräftezehrend. Trotzdem ist es dem Pflegepersonal immer auch ein Anliegen, die Patientinnen und Patienten der Hunsrück Klinik nicht nur medizinisch hervorragend zu versorgen, sondern auch mit ungewöhnlichen Ideen die Menschlichkeit im Fokus zu behalten. Ein Beispiel dafür: das Intensiv-Tagebuch.
Milena Müller ist Gesundheits- und Krankenpflegerin und arbeitet seit 2017, dem Ende ihrer Ausbildung, in der Hunsrück Klinik auf der Intensivstation. Schon lange beschäftigt sie der Gedanke: Was fühlen Menschen, die im künstlichen Koma liegen und welche Eindrücke werden trotz Bewusstlosigkeit verarbeitet? Deshalb hat sie nun ein Tagebuch auf der Intensivstation in Simmern eingeführt, das es Patienten ermöglichen soll die „vergessene“ Zeit der Beatmung und des künstlichen Komas nachzuvollziehen und vielleicht besser zu verstehen.
Jeden Tag tragen die Pflegenden darin ein, was während ihrer Schicht passiert ist. Das kann die medizinische Entwicklung des Patienten sein, aber auch ganz persönliche Eindrücke und Beobachtungen: „Liebe Frau M.*, heute haben Sie zum ersten Mal die Augen geöffnet“ oder „Lieber Herr S.*, beim Rasieren hatte ich das Gefühl, dass Ihnen das gar nicht gefällt, denn sie waren sehr unruhig. Das tut mir leid.“ (*Namen geändert)
Während des Lockdowns und Besuchsverbots halten die Mitarbeitenden im Tagebuch die Anrufe und Nachfragen der Angehörigen fest. Manchmal ist auch noch Zeit für ein Foto. „Wir fotografieren die Räumlichkeiten oder einen Kollegen, der gerade am Bett pflegt und legen das Foto ins Tagebuch. Damit kann der Patient sehen, wer ihn gepflegt hat und weiß, er war nicht allein“, erklärt Milena Müller.
Jetzt ist sie gespannt auf die ersten Rückmeldungen von Patienten und Angehörigen. Dafür hat sie extra noch eine kleine Karte mit Rückumschlag vorbereitet, die den Intensiv-Tagebüchern beigefügt ist.
Dr. Elena Ribel, Chefärztin Anästhesie und Intensivmedizin an der Hunsrück Klinik weiß, dass Patienten ganz unterschiedlich auf das künstliche Koma reagieren: „Für viele Patienten ist bereits der Gedanke an den Aufenthalt auf der Intensivstation sehr belastend. Anderen fällt es zu Anfang schwer, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Ein Tagebuch kann für Koma-Patienten deshalb ein wichtiger Baustein sein, um später wieder ins Leben zurückzufinden und das Trauma der Hilflosigkeit besser zu verarbeiten.“