Die Nachricht klingt zunächst wenig spektakulär: Manfred Welschbillig ist ausgebildeter Genesungsbegleiter in den Werkstätten der Stiftung kreuznacher diakonie und tritt sein Amt zum 1. Januar 2018 an. Aber dass er damit bundesweit scheinbar der erste und bisher einzige Genesungsbegleiter in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung ist, lässt aufhorchen. Zumindest hat die Recherche bisher keinen weiteren Kollegen oder weitere Kollegin ergeben.
„Ich habe selbst seit 25 Jahren eine psychische Erkrankung und bin langjähriger Beschäftigter bei den Werkstätten der Stiftung kreuznacher diakonie. Ich weiß sehr genau, wovon ich spreche.“ Es ist diese Erfahrung, die Manfred Welschbillig zu einem gefragten Genesungsbegleiter macht. „Genesungsbegleiter kümmern sich um andere Beschäftigte, die mit ihren Problemen zu mir kommen können“, erklärt der 58-Jährige. Ein ganz typischer Fall für Manfred Welschbillig sieht so aus:
Ein Beschäftigter zeigt psychotische Symptome. In Gesprächen mit Angehörigen, aber auch bei seinem Facharzt und den Fachkräften der Werkstatt, lehnt er die medizinische Behandlung kategorisch ab. Nach einem intensiven Austausch mit Manfred Welschbillig kontaktiert der Betroffene seinen Arzt und begibt sich freiwillig in eine vollstationäre Behandlung: So sieht die erfolgreiche Unterstützung eines Genesungsbegleiters aus.
„Man hört viele Geschichten, bei welchen man gerne helfen würde“, sagt der Bad Kreuznacher, der sein Angebot nun breiter bewerben möchte. „Es sind oft die kleinen Dinge, die helfen.“ Welschbillig betont, er könne sich aufgrund seiner Erfahrungen sehr gut in die Beschäftigten hineinversetzen, das sei ein wesentlicher Punkt bei seiner Arbeit. „Vor allem habe ich immer andere Menschen unterstützen wollen und habe nun eine konkrete Form gefunden, dies zu tun. Ich gehe in dieser Arbeit auf“, erklärt der derzeitige Vorsitzende des Gesamt-Werkstattrates. „Allerdings werde ich dieses Amt zu Gunsten meiner neuen Funktion aufgeben.“
Pilotprojekt der Europäischen Union
Der Genesungsbegleiter hat seine Ausbildung im Rahmen des „EX-IN“-Projekts in Siegburg absolviert. Dabei handelt es sich um ein Pilotprojekt der Europäischen Union zur Weiterbildung psychiatrie-erfahrener Menschen. Grundlage der Weiterbildung sind vor allem die Erfahrungen der Teilnehmenden. Auch Manfred Welschbillig hat dazu beigetragen: „Ich habe bereits viele negative Erfahrungen gemacht, häufig diskriminierender Art, und weiß, wie es ist, stigmatisiert zu werden. Dagegen kann man etwas tun.“ Das Selbstwertgefühl steigern, positiv arbeiten – das seien wichtige Aspekte.
Den typischen „Kunden“ für den 58-jährigen Genesungsbegleiter gibt es nicht, sagt er: „Ob eine psychische Erkrankung, geistige Beeinträchtigung, körperliche Behinderung oder von allem etwas vorliegt, macht für mich keinen Unterschied. Ich stelle mich auf jeden individuell ein.“ Die bisherigen positiven Rückmeldungen bestärken ihn in seiner Arbeit, und er könne sich vorstellen, die Angebote auszubauen.
Aber auch Manfred Welschbillig hat Unterstützung erfahren, über die er sehr dankbar ist: „Die Stiftung kreuznacher diakonie hat mich auf dem Weg zum Genesungsbegleiter immer unterstützt. Von der ersten Idee bis zur Umsetzung. Das ist eine tolle Sache.“