Bad Kreuznach | 25 Jahre Café Bunt: Sicherer Hafen für Frauen in Not

Einrichtungsleiterin Doris Häfner-Kairo vor dem Cafe Bunt, Stiftung kreuznacher diakonie

Café-Bunt-Leiterin Doris Häfner-Kairo

Was hervorsticht sind die kurzen, rot gefärbten Haare - ansonsten ist Karin H. (Name geändert) eine zurückhaltende Frau. Ihr ist es wichtig, anonym zu bleiben. „Frauen, die einen Lebensweg mit Gewalt- und Trennungserfahrungen gegangen sind, brauchen Schutz, weil sie oft die Angst vor Bedrohungen und Übergriffen nicht ablegen können“, erläutert Doris Häfner-Kairo, langjährige Leiterin des Café Bunt, einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie speziell für Frauen.

„Ich war einfach naiv“, sagt Karin H. über die schwierige Zeit als sie mit 20 Jahren zu Hause rausflog und 1997 auf der Eremitage in Bretzenheim bei Bad Kreuznach landete. Bis dahin waren in der Einrichtung für Wohnungslose nur Männer untergebracht. Mit wenigen anderen Frauen gehörte Karin zu den ersten, für die eine Notunterkunft für Frauen bereitgestellt wurde. „Der zuständigen Sozialarbeiterin war schnell klar, dass sich die Eremitage langfristig nicht für die Unterbringung von Frauen eignete“, berichtet Häfner-Kairo.

Unter diesen Startbedingungen hatte Karin keinen leichten Lebensweg vor sich: Früh schwanger, kommt ihre Tochter Kathy (Name geändert) als extremes Frühchen schwerst-mehrfach behindert zur Welt. Karin H. braucht weiter Hilfe. Im Kurgebiet von Bad Kreuznach entstand 1997 das Café Bunt als Anlaufstelle für Frauen in Not – auch für Karin: „Es gab Menschen zum Reden und einen Garten, wo auch Kinder gern gesehen waren.“ Über die Wohnungslosenhilfe bekommen Karin und ihr Partner eine Wohnung in Bad Kreuznach. 2001 zieht sie aber mit ihrem Partner nach Nordrhein-Westfalen. Hier bekommt sie zwei weitere Kinder, aber das Paar trennte sich.

Viele junge Frauen im Café Bunt

Was Karin H. erlebt, ist typisch für viele Frauen, die den Tagesaufenthalt im Café Bunt besuchen oder Zuflucht in der Notunterkunft finden: „Es kommen viele junge Frauen, die gerade volljährig sind“, berichtet die Einrichtungsleiterin. Häufig stammen sie aus einem zerrütteten Elternhaus, manchmal aus einer Jugendhilfeeinrichtung. Die jungen Frauen haben keine Verlässlichkeit und Geborgenheit erfahren. „Deshalb ist es wichtig, dass hier im Café Bunt regelmäßig dieselben Ansprechpartnerinnen arbeiten. Das gilt auch für die Ehrenamtlerinnen“, erklärt Häfner-Kairo.

Karin H. kämpfte weiter für ihre Kinder und für sich. Davon erzählt sie nur auf Nachfrage. „Diese Zurückhaltung ist typisch für viele unserer Klientinnen, die nie den Mut verlieren und immer wieder aufstehen – auch für ihre Kinder“, weiß Sozialpädagogin Häfner-Kairo. 16 Jahre hat Karin ihre Tochter gepflegt, bevor sie das Mädchen in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung gab. Sie schleppte Kathy die Treppen hoch und runter, kümmerte sich als Alleinerziehende gleichzeitig um die beiden anderen Kinder und arbeitete bis zur Erschöpfung in wechselnden Jobs – Teilzeit, Vollzeit, was gerade möglich war.

„Wenn Mütter ein Kind abgeben müssen, sei es in eine Pflegefamilie oder - wie hier - in eine Einrichtung zur Betreuung, bedeutet das einen schweren Verlust, den sie verkraften müssen. Hier im Café Bunt begleiten unsere Mitarbeiterinnen diese schwierige Trauerphase“, erklärt Häfner-Kairo.

Gute Zusammenarbeit mit Ämtern und Behörden

Als Karin H. 2018 die Wohnung gekündigt wurde und sie schwer erkrankte, kam sie nach Bad Kreuznach zurück. Wieder wurde das Café Bunt ihre zweite Heimat. „Allein um die Formalitäten zu erledigen, geht es nicht ohne Unterstützung“, erzählt sie. In der Kurhausstraße steht die Infrastruktur wie PC, Drucker, Scanner, eine feste Brief- und eine Mail-Adresse zur Verfügung und nötigenfalls assistiert der Sozialdienst. So gelang es Karin H., eine passende Wohnung zu finden. „Wir arbeiten in solchen Fällen mit dem Job-Center in Bad Kreuznach zusammen. Das klappt hervorragend“, lobt Häfner-Kairo die Behörde. „Es gibt direkte Ansprechpartnerinnen, wenn es um Tagessätze und Krankenversicherung, aber auch um Darlehen für Mietkautionen oder um Zuschüsse für eine Erstausstattung geht. Das ist hilfreich.“

„Keine falsche Scham und Hilfe holen!“ Das rät Karin H. anderen, wenn sie in Not sind. Sie selbst wünscht sich, sobald wie möglich wieder arbeiten zu können. „Schritt für Schritt geht es vorwärts. Man muss Hilfe annehmen und man muss selbst wollen und mitarbeiten“, sagt sie und streicht sich entschlossen durch das rote Haar. Nach diesem Prinzip begleiten die Sozialarbeiterinnen ihre Besucherinnen: „Zuhören, Ressourcen erkennen und ressourcenorientierte Angebote machen“, erläutert Fachfrau Häfner-Kairo.

Rückblickend auf die vergangenen 25 Jahre haben sich die Problemlagen und das Konzept kaum geändert, erklärt sie. „Aber es ist brutaler geworden, besonders für Frauen, die auf der Straße oder als Couchhopperin bei zweifelhaften Bekannten sexuelle Übergriffe und Gewalt erfahren.“ Die zum großen Teil aus Spenden finanzierte Notunterkunft bedeutet für die Frauen zunächst in Ruhe schlafen, duschen und essen zu können, ohne permanent Angst zu haben. Wo immer möglich vermittelt die Wohnungslosenhilfe die Frauen in feste Unterkünfte, zum Beispiel in kleine Wohngruppen in angemieteten Wohnungen. „Oft haben die Frauen ihren Schmerz durch Suchterkrankungen betäubt“, sagt Häfner-Kairo. Erst wenn sie einen Rückzugsort haben und das Grundbedürfnis nach sicherem Wohnen erfüllt ist, können sie gemeinsam mit den Sozialarbeiterinnen beginnen, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben vorzubereiten.

Diese Biographien kommen nicht nur in der Großstadt, sondern regelmäßig auch im ländlichen Raum rund um Bad Kreuznach vor, betont die Fachfrau aus dem Café Bunt. Trotz vieler Fortschritte, die von und für Frauen erzielt wurden, sei es unverzichtbar, weiterhin einen abgegrenzten, zuverlässigen Schutzraum anzubieten.

Gerade die Corona-Zeit hat gezeigt, dass Notlagen Frauen aus jeder Schicht treffen können. „Allen ist gemeinsam, dass ein zuverlässiges soziales Netz fehlt. Hier fungiert das Café Bunt als sicherer Hafen“, fasst Häfner-Kairo zusammen. „Wir unterstützen die Frauen dort, wo ihre Ressourcen sind und haben dann – eventuell – Erfolge.“

Weitere Infos zum Café Bunt


Am Dienstag, 3. März 2022, war Doris Häfner-Kairo zu Gast bei Antenne Bad Kreuznach. Im "Business Frühstück"  informierte sie über die Arbeit des Café Bunt. Link zur Mediathek Antenne 88,3