505 Babys kamen im letzten Jahr in der Hunsrück Klinik in Simmern zur Welt. Zu wenige, um die geburtshilfliche Abteilung kostendeckend zu betreiben. Seit sieben Jahren kämpft das Haus schon für eine faire Finanzierung der Geburtshilfe, um die Versorgung junger Eltern im Hunsrück zu sichern. Gemeinsam mit Landrat Dr. Marlon Bröhr hat Krankenhausdirektor Rainer Frischmann erneut das direkte Gespräch mit den Verantwortlichen gesucht und war erfolgreich: „Es gibt positive Signale aus Mainz. Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler hält unsere Geburtshilfe in Simmern für unverzichtbar und will sich Anfang März in einem persönlichen Termin über die aktuelle Situation in Simmern informieren.“
Simmern ist kein Einzelfall, bundeweit sind die Herausforderungen in der Geburtshilfe groß. Zwischen 2008 und 2018 ist Anzahl der Kliniken in Deutschland, die Geburten durchführen, um 22 Prozent gesunken, in Rheinland-Pfalz sind es sogar 33 Prozent. Hauptgrund ist die wirtschaftliche Situation. So sind bei zwei Dritteln der Kliniken die Kosten höher als die Erlöse.
„Rund 3.500 Euro bekommt eine Klinik pro Geburt. Das bedeutet, dass mindestens 800 Geburten nötig sind, damit das Krankenhaus allein die Personalkosten für Hebammen, Fachärzte, Kinderkrankenschwestern, Labor und OP-Personal decken kann. Eine Zahl, die von kleinen Krankenhäusern in ländlichen Gebieten nicht realisiert werden kann“, weiß Dr. Goerke, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Hunsrück Klinik
„Der wirtschaftliche Druck ist da,“ bestätigt Krankenhausdirektor Rainier Frischmann. „Seit Jahren gleichen wir in Simmern den Fehlbetrag aus eigener Tasche aus. Dass wir die Kosten für das Vorhalten einer Geburtshilfeabteilung nicht erwirtschaften, liegt nicht daran, dass wir unwirtschaftlich arbeiten, sondern ist ein systemisches Problem, mit dem alle kleinen Krankenhäuser kämpfen.“ Fallpauschalen und entsprechende Abrechnungsmodalitäten, die von den Krankenkassen vorgegeben werden, drücken den Kliniken die Luft ab.
Bislang schultert die Stiftung kreuznacher diakonie dieses strukturell begründete Defizit alleine. Das muss sie in der Zukunft ändern, mahnen die Wirtschaftsprüfer des größten sozialen Trägers, der im Süden von Rheinland-Pfalz und im Saarland mit 6800 Mitarbeitenden rund 120 soziale Einrichtungen betreibt.
Deshalb bittet die Stiftung kreuznacher diakonie jetzt um strukturelle Hilfen. „Unser Ziel ist eine gerechte Finanzierung, insbesondere für kleine Geburtshilfen, mit den Verantwortlichen von Land und Bund zu erörtern. Denn wir wollen auch weiter an der Seite junger Familien im Hunsrück stehen und uns um die flächendeckende Versorgung kümmern,“ bekräftigt Frischmann.
Wohnortnahe Versorgung ist lebenswichtig
Die Geburtshilfe der Hunsrück Klinik sorgt für eine flächendeckende Versorgung im Rhein-Hunsrück-Kreis. Im Umkreis von 42 Kilometern gibt es keinen weiteren Kreißsaal. Chefarzt Dr. Kay Goerke bestätigt, wie lebenswichtig die wohnortnahe Versorgung ist und was lange Anfahrtswege von mehr als 40 Minuten zur nächsten Klinik bedeuten. „Mit dem Beginn regelmäßiger Wehen oder nach einem Blasensprung müssen die Herztöne des Babys regelmäßig überwacht werden. Je länger die Fahrt in die Klinik dauert, desto länger ist das Baby nicht überwacht und umso größer wird das Risiko für Mutter und Kind“, erklärt Goerke. „Im schlimmsten Fall kommt das Baby im Auto ohne jegliche qualifizierte Unterstützung zur Welt. Innerhalb von wenigen Minuten kann es dann auskühlen. Nicht zu vergessen, welch traumatische Belastung und emotionaler Stress das für die werdende Mutter und für die ganze Familie ist.“
Dass es manchmal sehr schnell gehen kann, wissen auch Bianca und Christian Lorenz aus eigener Erfahrung. Ihre Tochter Mila hatte es so eilig, dass zwischen Ankunft im Krankenhaus und Geburt nur 25 Minuten lagen. „Das hätte auch anders ausgehen können. Die Fahrt nach Simmern hat zum Glück nur zehn Minuten gedauert. Nach Bad Kreuznach oder Idar-Oberstein hätten wir es nicht mehr geschafft“, erzählt die Kirchbergerin. Sie ist dankbar für die gute Versorgung und Betreuung in der Hunsrück Klinik.
Bei der kleinen Mila ging zum Glück alles gut, aber bei etwa 18 Prozent der Geburten treten Komplikationen auf, die sofortiges medizinisches Handeln nötig machen. Dann zählt wirklich jede Minute. In der geburtshilflichen Abteilung der Hunsrück Klinik hält man für solche Fälle die nötige Infrastruktur und eine 24-Stunden-Bereitschaft vor. „Eine Geburtshilfe ist auch Notfallmedizin und die muss auch vom Land mitgetragen werden“, fordert Dr. Dennis Göbel, Vorstand Krankenhäuser und Hospize der Stiftung kreuznacher diakonie.
Rückenwind erhält er von der Gesundheitsministerin: „Wir sind uns einig, dass eine Schließung der Geburtshilfe an der Hunsrück Klinik nicht in Betracht kommen kann“, schreibt Ministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler in einem Brief an Landrat Dr. Marlon Bröhr. Nach dem Gespräch mit der Gesundheitsministerin erhoffen sich Frischmann und Göbel, dass den Worten Taten folgen, so dass die geburtshilfliche Versorgung im Rhein-Hunsrück-Kreis weiterhin gesichert ist.