Bad Kreuznach | Ist Ihnen eigentlich schon einmal aufgefallen

Ein Mann steigt aus seinem Auto und geht zur Arbeit. Dass er darin geschlafen hat, weil der Wagen seit einigen Wochen nun schon als sein Zuhause dient, sieht man ihm zunächst nicht an. „Versteckte“ Wohnungslosigkeit mitten in Bad Kreuznach. „Das romantische Bild der Tippelbrüder gibt es hier nicht mehr“, berichtet Ingo Huber, Straßensozialarbeiter und im Auftrag des Geschäftsbereiches Wohnungslosenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie überall dort im Einsatz, wo Unterstützung gefordert ist. „Die Menschen haben ein Recht auf fachliche Hilfe, ein verbrieftes Recht auf Wohnraum. Das lösen wir ein“, sagt Einrichtungsleiterin Doris Häfner-Kairo.

Zwar ist Ingo Huber, der in Darmstadt Sozialarbeit studiert hat und einen Schwerpunkt in der Schuldnerberatung gesetzt hat, seit 2016 regelmäßig an den bekannten Plätzen in der Stadt unterwegs, mittlerweile kommen aber auch viele, die kein Dach mehr über dem Kopf haben, von sich aus zu ihm in das Büro in der Baumgartenstraße. Hier werden alle, die das wollen, fachlich beraten und begleitet. „Es gibt nichts, bei dem ich nicht mit Rat und Tat zur Seite stehe“, meint er selbstbewusst.

Selbst Corona kann dem keinen Riegel vorschieben, denn das Netzwerk, das er sich im Laufe der vergangenen Jahre in den Ämtern und Organisationen aufgebaut hat, trägt jetzt. Das Recht auf ein Dach über dem Kopf darf in den Augen der Wohnungslosenhilfe nicht in eine Ghettoisierung führen. Um genügend Abstand zu gewährleisten, hat die Wohnungslosenhilfe die Einzelschlafplätze in ihren Notunterkünften verdoppelt: vier Plätze stehen jetzt für Frauen zur Verfügung, acht für Männer.

Aus der Notunterkunft können die Menschen in das stationäre Wohnen des Geschäftsfeldes wechseln und erfahren dann in Einzelwohnungen oder Wohngruppen engmaschige Begleitung durch die Mitarbeitenden, deren Ziel es ist, sie in die Eigenständigkeit zu bringen. „Es gibt sehr viel versteckte Wohnungslosigkeit – Menschen, die bei Verwandten und Freunden ohne Mietvertrag unterkommen, und zu jeder Zeit wieder auf die Straße zurückgeschickt werden können. Deshalb ist unser niederschwelliges Angebot so wichtig“, weiß Ingo Huber. Als Erfolge seiner Arbeit wertet er es schon, „wenn jemand regelmäßig Kontakt zu uns hält, weil ich weiß, wie schwer ihm das fällt.“