Mütter stießen vor zehn Jahren das Prader Willi Projekt an

Andrea Kolling ist nicht anders als die meisten Mütter rund um den Globus. Sie haben einen Wunsch: „Unseren Kindern soll es gut gehen!“ Doch anders als andere Mütter hat ihr Sohn  eine äußerst seltene Gen-Variante: Auf dem Chromosom 15 gibt es einen Defekt. Die Folgen davon beschreibt das Prader Willi Syndrom und beeinflusst das Leben von Tobias Kolling massiv. Er lebt heute in einer Wohngruppe für junge Erwachsene, die an das Prader Willi Kompetenzzentrum der Stiftung kreuznacher diakonie in Bad Sobernheim angegliedert ist. Das Haus feiert in 2021 sein 10jähriges Bestehen. Andrea Kolling hat mit anderen betroffenen Eltern damals dieses Projekt angestoßen.

Das Prader Willi Syndrom (PWS) kann jedes  Neugeborene treffen – die Wahrscheinlichkeit liegt bei 1:15.000. Einen solchen genetischen Zufall hielt Andrea Kolling vor fast 30 Jahren nach der Geburt in ihren Armen. Schnell war ihr klar, dass Tobias es schwer haben wird: „Der Junge hatte Atemprobleme und war sehr schlapp.“ Das ist typisch für das so genannte PWS, aber auch für viele andere Erkrankungen. Deshalb dauerte die Suche nach der Ursache für Tobias‘ Probleme mehrere Jahre. Gleiches berichten auch andere Frauen beim Müttertreff der PWS-Elternvereinigung. Nahezu alle sind mit ihren Kindern von einem Arzt zum anderen geschickt, mit teils schrecklichen Diagnosen abgefertigt, worden, während sie zu Hause ihre Kinder so gut wie möglich beobachtet und gefördert haben.  

Netzwerk wichtig für Eltern und Kinder

Tobias ist heute 33 Jahre alt und lebt seit 10 Jahren nicht mehr bei seiner Familie. Er und seine Mutter sind froh um die PWS-Wohngruppe in Bad Sobernheim. Andrea Kolling ist ehrlich: „Es ging einfach nicht mehr!“ Menschen mit PWS fehlt das Sättigungsgefühl. Sie haben unterschiedlich ausgeprägte kognitive Beeinträchtigungen und zeigen oft ein herausforderndes Verhalten wie z.B. Wutausbrüche, so Constanze Wietrzychowski, Teamleiterin der Wohngruppe. Als bei Tobias Kolling die Diagnose feststand, hatte  sich seine Mutter auf die Suche nach Eltern gemacht, die die gleichen Sorgen hatten: „Wie können wir den Kindern helfen?“

Bei der Stiftung kreuznacher diakonie wurden sie 2003 fündig. Gemeinsam mit der damaligen Geschäftsführung begann ein langer Weg: Bis Ideen und Konzept für das heutige Kompetenzzentrum und die Wohngruppe in trockenen Tüchern waren, gingen wieder Jahre ins Land. Als endlich alle Genehmigungen vorlagen wurde 2010 mit dem Bau begonnen. In dieser Zeit haben die Mütter bei den Behörden und im rheinland-pfälzischen Sozialministerium immer wieder informiert, erklärt und auf ein wohnortnahes und spezielles Angebot für PWS-Betroffene gedrängt. Britta Schelian, Einrichtungsleiterin des PWS-Kompetenzzentrums, erklärt anerkennend: „Den Müttern von damals kommt bei der Gründung des Zentrums eine Schlüsselrolle zu.“

Bis heute ist das Zentrum in Rheinland-Pfalz und im Saarland einmalig. Eltern, die heute durch Fortschritte in der Medizin meist schon im Kleinkindalter Gewissheit erhalten, wenn ihr Kind das Prader Willi Syndrom hat, haben hier eine Anlaufstelle, die sie berät und unterstützt. Andrea Kollings Sohn war vor 10 Jahren einer der ersten, die in die Wohngruppe aufgenommen wurden, die direkt an das Kompetenzzentrum in Bad Sobernheim angegliedert ist. Sie und auch andere Eltern wünschen sich, dass ihre Kinder hier „alt werden können“. Gleichzeitig versuchen sie weiter, anderen Eltern den steinigen Weg durch regelmäßige Elterntreffen und ihr Engagement bei der PWS-Elternvereinigung zu ebnen.

Auch bei der Stiftung kreuznacher diakonie arbeitet man stetig daran, das PWS-Zentrum weiterzuentwickeln, um mehr Betroffenen unter die Arme greifen zu können. Derzeit bietet die Wohngruppe Platz für 8 Menschen mit Prader Willi Syndrom. Weitere Plätze befinden sich in der Planung.