Menschen in sozialen Notlagen, die ihre Wohnung verloren haben, Frauen, die wegen häuslicher Gewalt im Frauenhaus waren oder Patienten mit Suchterkrankungen, die aus dem Krankenhaus entlassen werden – viele Menschen sind auf der Suche nach bezahlbarem und geeignetem Wohnraum. Nicht nur in Großstädten, auch in Idar-Oberstein ist günstiger Wohnraum in den vergangenen Jahren knapp geworden. Das bedeutet auch: Wer keine Wohnung findet, muss länger in den Notfall-Einrichtungen bleiben, die damit weniger Platz für akut Hilfsbedürftige haben. Zudem kommen die Träger wegen der fehlenden Gegenfinanzierung in die Bredouille.
Diesen Teufelskreis skizzierte der „Fachtag bezahlbarer Wohnraum“, zu dem die Wohnungslosenhilfe Idar-Oberstein der Stiftung kreuznacher diakonie eingeladen hatte. Vom Stadtplaner über den Leiter des Jobcenters, über Vertreter der Wohnungsbaugesellschaften, eine Maklerin bis hin zu Beraterinnen und Beratern sozialer Verbände hatten sich rund 30 Fachleute aus dem Umfeld Wohnen und Wohnraumsicherung im Tagesaufenthalt Horizont zusammengefunden.
„Wohnraum und ein gewisser Leerstand müssten eigentlich vorhanden sein“, stellte Stadtplaner Kevin Keller fest, der aktuelle Zahlen rund um den Wohnungsbau in Idar-Oberstein präsentierte. Die Einwohnerzahl hat sich reduziert. Allerdings gebe es kein Leerstandkataster, sodass ein Überblick fehlt. Zudem falle ihm auf, dass viele Eigentümer alter Wohnungen nicht fachgerecht Instand setzen. „Es wird in dieser Richtung viel beraten, aber die Besitzer wollen nicht sanieren - es geht nicht richtig voran“, so sein Resümé.
Erfolgreiches Konzept "Dezentrales stationäres Einzelwohnen"
Tanja Theis, stellvertretende Leiterin der Wohnungslosenhilfe Idar-Oberstein, stellte das Konzept „Dezentrales stationäres Einzelwohnen“ vor, das Menschen aus der Wohnungslosigkeit erfolgreich und langfristig in Wohnraum vermittelt. „Nachdem zunächst wir als Wohnungslosenhilfe die Wohnung anmieten, erfolgt schrittweise ein Übergang auf den Klienten, sofern die Wohnung und das Umfeld stimmen.“ Auch nach der Übernahme des Mietvertrags betreut die Wohnungslosenhilfe die Klienten häufig ambulant weiter und tritt als Mittler zwischen Vermieter und Mieter ein. Wichtig ist, dass die Existenzsicherung für die Klienten gegeben ist – die Kosten für die Miete müssen also tragbar sein. Das Konzept ist erfolgreich: „Es dauert aber immer länger, überhaupt geeignete Wohnungen in und im Umkreis von Idar-Oberstein zu finden.“ Michael Schunck, Geschäftsführer der Kreissiedlungsgesellschaft Birkenfeld (KSG) hat in der Vergangenheit schon Wohnungen an die Wohnungslosenhilfe vermietet. Er betonte: „Ihr Prinzip funktioniert – das ist der richtige Ansatz. Allerdings haben wir derzeit keinen Leerstand, sondern lange Wartelisten.“
Jobcenter garantiert Mietzahlung
Jörg Schnadthorst, Leiter Jobcenter Landkreis Birkenfeld, betonte: „Wir sind zunächst einmal der Garant dafür, dass Miete gezahlt wird.“ Allerdings gebe es für die Beträge, die für Wohnraum gezahlt werden dürfen, so genannte Angemessenheitsgrenzen und damit klare Vorgaben der Kreisverwaltung. Die Ausgaben für die Kosten für die Unterkunft, die das Jobcenter insgesamt auszahlt, sind kontinuierlich gestiegen, da mehr Menschen Bürgergeld beantragt haben und hilfebedürftig sind. Als gut und hilfreich bewerteten die Teilnehmenden aus den Beratungsstellen die Einführung einer Karenzzeit bei erstmaligem Bürgergeldbezug. Im Zeitraum von einem Jahr ist es nun möglich, die Größe des Wohnraums anzupassen, ohne den Geldbezug zu streichen.
Die lebhafte Diskussion zeigte, dass insbesondere kleine Wohneinheiten für Menschen mit einem eingeschränkten Budget gesucht werden. „Die Leute, die in unsere Fachberatung kommen, haben meist ein sehr geringes Einkommen und die Nebenkosten fressen das Budget auf, zumal alte Häuser meist schlecht zu heizen sind“, sagte Myriam Schröer von der Fachberatungsstelle für Wohnraumsicherung.
Maklerin Alexandra Schmidt, die viele ältere, private Vermieter vertritt, stellte unter anderem die Perspektive der Wohnraumgeber dar: „Es gibt viel Unwissenheit bei den Mietinteressenten, insbesondere wenn diese nicht in Deutschland aufgewachsen sind.“ Da in Deutschland bei Mietverhältnissen die Vermieter ein großes Risiko tragen, brauchen diese gewisse Sicherheiten, wie zum Beispiel eine Selbstauskunft der Mieter. „Für Interessenten, die die Sprache nicht beherrschen, wird es schwierig, wenn sie auf Konkurrenz stoßen, die sich besser auskennt“, sagte sie und regte ein „Wohnraum-Coaching“ für dieses Klientel an. Zudem verwies sie auf zeitraubende Vorleistungen, wie umfassende Formulare und Bescheinigungen, die Vermieter ausfüllen sollen, wenn das Jobcenter die Wohnkosten für den Mieter trägt. „Damit sind meine privaten Kunden oftmals überfordert.“
Fachberatung Wohnraumsicherung auch für Vermieter ansprechbar
Wohnraumberaterin Myriam Schröer unterstrich: „Die Fachberatungsstelle richtet sich auch an Vermieter! Wenn zum Beispiel Mietzahlung nicht vollständig erfolgen, betreiben wir ‚Ursachenforschung‘ und zeigen den Klienten mögliche Geldquellen wie Kinderzuschläge oder Wohngeld auf.“ Die Fachberatung setzt sich ein, um zwischen Mietern und Vermietern zu schlichten.
Zum Ende der Veranstaltung wurden Lösungsvorschläge in Form der „low-hanging-fruits“ (leicht zu erreichen) gesammelt, um die Situation, die von vielen als belastend erlebt wird, zu verbessern. Neben einem Wohnungsführerschein im Rahmen der schulischen Ausbildung gehörten mehrsprachige Merkblätter für Mietinteressenten genauso dazu, wie Wohnraum-Lotsen sowie Wohn- und Kultur-Coaches. Das wichtigste aber, was alle herbeisehnten: Mehr Anstrengungen im sozialen Wohnungsbau zur Lösung dieses „brennenden Themas“.