Karin Rothe hat in den vergangenen Monaten viel gelernt. Sie kommt jeden Tag in die Tagesförderstätte der Stiftung kreuznacher diakonie. Immer montags arbeitet sie ihre Aufträge am Computer ab: Bildsymbole für all die Kolleginnen und Kollegen ausdrucken, schneiden, laminieren und ausliefern, die – anders als sie selbst – nicht lesen, schreiben oder manchmal auch gar nicht sprechen können. „Helfen zu können, motiviert sie“, erzählt Linda Weber, Heilerziehungspflegerin und Teamleiterin.
Die Tagesförderstätte gibt Tagesstruktur und sinnstiftende Arbeit
Sie ist stolz darauf, welche Schritte Karin Rothe in der Tagesförderstätte gemacht hat. Die 41-Jährige wohnt seit vielen Jahren in den Einrichtungen der Stiftung in Bad Kreuznach. Die Tagesförderstätte ist ein zweiter Lebensbereich, der die Tage nicht nur strukturiert, sondern auch eine sinnstiftende Arbeit vorsieht. Linda Weber hat in den vergangenen Monaten immer montags mit Karin Rothe gefördert: „Viele Beschäftigte in der Tagesförderstätte sind in ihren individuellen Ausdrucks- und Verständnismöglichkeiten eingeschränkt. Um sie in ihrer Kommunikation zu unterstützen, arbeiten wir mit den Methoden und Medien der Unterstützten Kommunikation.“ Eines dieser Medien ist das Symbolsystem von Metacom: Kleine Kärtchen auf denen Objekte, Lebewesen, Tätigkeiten und Gefühle dargestellt sind. Wer keine Sprache hat, kann über diese Kärtchen oder auf dem Tablet kommunizieren. In nahezu allen Einrichtungen der Behindertenhilfe der Stiftung wird dieses Kommunikationstool eingesetzt. Entsprechend groß ist der Bedarf.
Orientierung im Alltag mit Hilfe von Bildsymbol-Kärtchen
Karin Rothe hat die Produktion der Kärtchen übernommen. Lesen und Schreiben kann sie. Mit dem Computer musste sie sich erst vertraut machen. „Als erstes habe ich gelernt, wie man ein Leerzeichen macht“, erzählt die Frau, die ansonsten auch gerne Pizza backt und sich für Bienen interessiert. Gemeinsam mit Linda Weber hat sie beschrieben, welche Arbeitsschritte erforderlich sind, um aus den Bildsymbolen am Computer ausgedruckte und laminierte Kärtchen werden, die mit Hilfe von Klettbändern überall dort angebracht werden können, wo sie gebraucht werden. Etwa an dem Schrank, in dem Hygieneprodukte einsortiert sind. Nesem, ebenfalls eine Beschäftigte in der Tagesförderstätte, hat die Aufgabe, diesen Schrank nachzufüllen. Da sie aber nicht sprechen kann und manchmal vergisst, was wohin gehört, zeigen die Symbole am Schrank, wo Handschuhe, Vorlagen und die Händedesinfektion einsortiert werden müssen. In den Autismus-Wohngruppen gibt es Leisten, auf denen die Bewohnerinnen und Bewohner mit Hilfe der Symbole ablesen können, wie der Tagesablauf aussieht und wann eine Pause geplant ist. Auch im Meisenheimer Bodelschwingh Zentrum und in der Wohngruppe des Prader Willi Kompetenzzentrums sowie in den Diakonie Werkstätten in Kirn oder Bad Sobernheim kann auf diese Art und Weise kommuniziert werden: Das Wetter, die Arbeit, aber auch eigene Gefühle.
Linda Weber ist ausgebildete Heilerziehungspflegerin. Sie erklärt: „Kommunikation ist für das Gelingen von Teilhabe ein entscheidender Faktor!“ Karin Rothe bekommt die Aufträge für diese Karten von den Einrichtungen, arbeitet sie ab und liefert auch manchmal die fertigen Bestellungen auf dem Campus in Bad Kreuznach aus. Dann sieht die 41-Jährige, wie wichtig ihre Arbeit ist: „Das hilft!“, sagt sie und sieht so, dass die vielen kleinen Schritte, die sie selbst gemacht hat, für andere große Schritte in Richtung Teilhabe sind – ein Riesenfortschritt für alle.