Taekwondo macht etwas mit den Menschen. Großmeister Karl-Otto Uebel weiß das. Der fast 70-jährige Idar-Obersteiner mit sieben schwarzen Gürteln in dieser Sportart kommt zweimal im Monat in die kleine Kirche auf der Asbacher Hütte, um mit Menschen mit Beeinträchtigungen genau diese Sportart zu trainieren.
Die Gesichter im Raum sind glücklich, weil sie den Körper spüren und beherrschen, der oft genug nicht das macht, was sie sich vorgenommen haben. Mirko Arenz darf mal laut sein, obwohl er sonst zu schüchtern ist, laut zu sprechen. Ein Teilnehmer soll die Fäuste ballen, obwohl er ansonsten nie auf die Idee kommt, auch nur einer Fliege etwas anzutun. Julia Milz ist heute konzentriert, an anderen Tagen können manchmal die vielen Eindrücke nicht sortiert und priorisiert werden. Ein anderer Bewohner hält hier Grenzen ein, die ihn ansonsten manchmal nicht stoppen.
„Ich kann nicht so hoch treten“, sagt Sonja Schmitt. Karl-Otto Uebels Liste der Erfolge ist zu lang, um alles aufzuzählen. Zu bescheiden ist er auch, aber er war Vize-Europameister und Deutscher Meister in der 68-Kilo-Klasse. Er hat alle wichtigen Trainerscheine, um auch auf höchster Ebene zu arbeiten. Beruflich hat er immer für und mit Menschen mit Beeinträchtigungen gearbeitet. Sonja Schmitts Leistung ist für ihn beeindruckend: „Die Menschen hier sind ehrlich und offen“, sagt er. Seit Herbst 2023 kommt er regelmäßig in die Asbacher Hütte. Auch er spürt für sich den Gewinn, mit den Menschen zu arbeiten.
Taekwondo: Mehr Teamgeist, Selbstvertrauen und Empathie
Julia Wittmann und Silke Nörling, die Einrichtungsleitungen für den Bereich Wohnen, haben dieses Sportangebot installiert: „Die Sportart Taekwondo hat viele positive Effekte und fördert Teamgeist, Selbstvertrauen und Empathie. Unsere Taekwondo Gruppe entwickelt sich gemeinsam weiter und jeder Einzelne wird von Herrn Uebel dort abgeholt, wo er steht. Es macht Freunde die Menschen bei diesem Sport erleben zu dürfen!“
Teakwondo trainiert das Körper-Raum-Gefühl, beide Gehirnhälften werden angeregt, die Bewegungen zu koordinieren. Die „Kampfkunst“ dient dazu, sich selbst kennenzulernen, den Körper und den Kopf so zu verbinden, dass niemand verletzt wird, aber im Ernstfall Grenzen gesetzt werden können. Die Gruppe auf der Asbacher Hütte ist bunt gemischt: Alt, jung, Frauen und Männer mit ganz unterschiedlichen Stärken und trotzdem gibt es viel Respekt und ein Wir- Gefühl – obwohl ein „Kampfschrei“ gleichzeitig nicht klappt. Ist das notwendig?
Sonja Schmitt hat die Arme nach vorne gestreckt und die Handflächen zehn Zentimeter vor die Brust von Karl-Otto Uebel gestoßen: „STOPP!“ Der Trainer ist stolz auf alle: Do bedeutet aus dem Koreanischen übersetzt „der Weg“. Wie Sonja, Andreas , Saskia, Mirko, Michael und die anderen ihn gehen ist Nebensache. Sie gehen ihn gemeinsam – kennen ihre Grenzen, nehmen sich selbst wahr und freuen sich auf Schritt und Tritt.