Idar-Oberstein | Diakon Dieter Groh-Woike: Abschied nach 37 Jahren

Porträtbild Mann

Freut sich auf den Ruhestand nach fast 37 Jahren Leitungstätigkeit in der Wohnungslosenhilfe: Diakon Dieter Groh-Woike

„Nie hätte ich gedacht, dass ich das so lange mache!“ 1988 übernahm Dieter Groh-Woike nach Abschluss der Diakonenausbildung und des Studiums der Sozialarbeit die Hausleiterstelle auf dem Niederreidenbacher Hof.  Auf dem „Hof“ – wie die Einrichtung in der Stiftung kreuznacher diakonie genannt wurde – lebten rund 85 Menschen, damals überwiegend Männer in ihrer zweiten Lebenshälfte, die aus unterschiedlichen Gründen ihre Wohnungen und sozialen Bindungen verloren hatten. Nach 37 Jahren Einsatz für die Ärmsten der Gesellschaft geht der gelernte Elektroanlageninstallateur nun in den Ruhestand und freut sich auf mehr Zeit und Spielen mit den Enkeln.

Abschied von der 'klassischen' Obdachlosenhilfe

„Die Arbeit in der Wohnungslosenhilfe hat sich in diesen fast vier Jahrzehnten so stark verändert, dass es nie eintönig wurde und wir immer neue Herausforderungen angegangen sind“, berichtet er. Ende der 1980-er Jahre war die „klassische“ Obdachlosenhilfe, für die der Niederreidenbacher Hof stand, längst an einem Wendepunkt angekommen. „Bis 1989/1990 wurde der ‚Hof‘ als klassische ‚Arbeiterkolonie‘ geführt“, berichtet Groh-Woike. Für die Bewohner gab es eine Pflicht zur Mitarbeit in der Landwirtschaft. Der große Milchvieh- und Ackerbaubetrieb versorgte Teile der damaligen Diakonie-Anstalten mit Lebensmitteln. Die Arbeitspflicht wurde Mitte der 1980-er Jahre aufgehoben und der mit viel Handarbeit verbundene landwirtschaftliche Betrieb eingestellt. „Gleichzeitig begannen wir den bis heute andauernden Prozess der Dezentralisierung und der Wiedereingliederung der betroffenen Menschen in Wohnungen, die wir in Bad Kreuznach und in Idar-Oberstein suchten“, erinnert sich der Diakon. Auch die Arbeit mit weiblichen Klientinnen begann in den 1990-er Jahren. 

Das endgültige Ende für den Niederreidenbacher Hof löste 2009 ein Brand aus: „Glücklicherweise kamen keine Personen zu Schaden, aber ein Wiederaufbau der alten Gebäude kam nicht in Frage“, berichtet Groh-Woike. Die zu dem Zeitpunkt verbliebenen rund 30, zumeist älteren Bewohner, fanden eine Bleibe in örtlichen Senioreneinrichtungen, in Wohnungen der Wohnungslosenhilfe in Bad Kreuznach und in Häusern, die in Idar-Oberstein erworben wurden. Die Klienten mussten ihren Alltag neu ausrichten: Sie sollten sich nun in den eigenen Wohnungen selbst versorgen und mussten Kochen, Putzen und Einkaufen mit beschränktem Budget neu erlernen. „Die Mitarbeitenden waren viel unterwegs und haben unterstützt, wo es ging.“

Eingliederung in dezentrale Wohnungen im Fokus

Die Strategie, Menschen ohne Wohnung, nach dem Konzept des „Dezentralen Stationären Wohnens“ (DSW) so schnell wie möglich wieder in eigene Wohnungen zu bringen, verfolgen die Fachleute aus Idar-Oberstein weiterhin. Es richtet sich an Klientinnen und Klienten, die keine stationäre Hilfe mehr benötigen, aber beim konsequenten Schritt in die Verselbstständigung und das eigenständige Leben noch Unterstützung brauchen. Die Wohnungslosenhilfe mietet dazu passende Wohnungen an und übt das eigenständige Wohnen mit allen Rechten und Pflichten ein, solange, bis der Mietvertrag an den Klienten übergehen kann. „Anfangs konnten wir mehr als die Hälfte der abgehenden Bewohner entweder in eigene Wohnungen oder in andere, passende Hilfeformen entlassen“, berichtet Groh-Woike. „Aber seit einigen Jahren finden wir kaum noch bezahlbare kleine Unterkünfte. Der Markt im Bereich der Wohnungen, die für Menschen im Niedriglohnsektor infrage kommen, ist leergefegt.“ Dies betrifft auch andere Zielgruppen und führt dazu, dass sich der Aufenthalt in den Hilfeeinrichtungen verlängert. „Wir haben in Idar-Oberstein zu dem Thema ‚Bezahlbarer Wohnraum‘ ein Netzwerk ins Leben gerufen, weil wir alle feststellen, dass der freie Markt hier keine Lösungen bringt. Bauen und Wohnraumschaffen sind einfach zu teuer, um anschließend günstig vermieten zu können“, berichtet der Diakon. „Das finde ich zum Ende hin schade, denn die Situation war schon viel besser.“

Auch der Aufbau der ambulanten Angebote, wie der Tagesaufenthalt Horizont und der Straßensozialdienst ab 2002, die Tafel ab 2005 und die Fachberatungsstelle zur Wohnraumsicherung ab 2021 – zum großen Teil mit Unterstützung der Stadt Idar-Oberstein sowie der Kreisverwaltung Birkenfeld – gehen auf die Initiative von Dieter Groh-Woike zurück. Zum 1. Juli 2025 übergibt er die Leitung der Wohnungslosenhilfe Obere Nahe an Diplom-Pädagogin Tanja Theis und an die Sozialarbeiterin Christine Bauer.