Bad Kreuznach/Bretzenheim | Stufen für eine erfolgreiche berufliche Integration

Zwei Männer stehen vor einem gemauerten Pizzaofen

Der selbst gebaute Pizzaofen ist eines der jüngsten Projekte auf der Eremitage, links Einrichtungsleiter Diakonie Heiner Trauthig und Sozialdiensthelfer Thomas Kern (rechts).

Über einen Wirtschaftsweg quer durch Weinberge, Äcker und Wiesen geht es zum großzügigen Gelände der Wohnungslosenhilfe auf der Eremitage in Bretzenheim. Hier wohnen rund 60 Männer und Frauen, die aus verschiedensten Gründen ihre Wohnung verloren haben und auf der Straße oder in prekären Wohnverhältnissen lebten. Die Gründe für ihre Wohnungslosigkeit sind vielfältig: Auf Job-Verlust, Scheidung, Trennung oder Tod des Partners und langwierige Erkrankungen folgte schließlich eine Wohnungsräumung – häufig verbunden mit dem Blick in den Abgrund.

So erging es auch Thomas Kern vor rund zehn Jahren: „Beruflich und privat war bei mir alles zusammengebrochen“, berichtet der gelernte Schreiner. „Dann hatte ich das Glück, dass ich hierher auf die Eremitage gekommen bin.“ Kann man von Glück reden, in einer Einrichtung für Wohnungslose untergebracht zu werden? „Für mich war das so“, unterstreicht er. „Aber mir waren von vornherein zwei Dinge klar: Erstens, ich trage selbst die Verantwortung für die Situation und zweitens, ich will da wieder raus.“ Sein Glück bestand darin, dass er hier Menschen fand, die ihm weiterhalfen. Zunächst bei alltäglichen Dingen, wie Behördenangelegenheiten - dann konnte er schrittweise einen Weg gehen, der ihn in eine eigene Wohnung und eine feste Arbeitsstelle brachte.

„Menschen, die zu uns in die Einrichtung auf der Eremitage kommen, haben häufig lange Zeiten der Arbeitslosigkeit oder auch Krankheit hinter sich. In der Folge mangelt es nicht nur an eigenem Einkommen, sondern auch an Struktur im Alltag sowie an gesellschaftlicher Teilhabe und Wertschätzung, die eine regelmäßige Tätigkeit mitbringt“, berichtet Diakon Heiner Trauthig, Leiter der Einrichtung. „Wir haben hier inzwischen vielfältige und gestufte Modelle für Beschäftigungen, die für unsere Klientinnen und Klienten in Frage kommen. Diese Angebote bauen ein Stück weit aufeinander auf.“ 

Motivationsprämien für stundenweise Beschäftigung

Thomas Kern schlich zunächst „um die Hausmeisterwerkstatt herum“ ist – kein Wunder, als eingefleischter Handwerker. „Hier habe ich Kontakte geknüpft, bin mit anderen, denen es ähnlich ging, ins Gespräch gekommen.“ Dann konnte er stundenweise auf Basis einer Motivationsprämie von einem Euro pro Stunde arbeiten. „Das hört sich wenig an. Jedoch hat der Klient am Monatsende zu seinem ‚Taschengeld‘ noch 100 Euro mehr im Portemonnaie. Außerdem sind die meisten froh, etwas zu tun zu haben, in der Haustechnik, in der Hauswirtschaft, bei Renovierungsmaßnahmen oder draußen bei der Grünpflege in unserem weitläufigen Gelände“, unterstreicht Trauthig.

Arbeitsgelegenheiten finanziert durch Jobcenter

Eine weitere Entwicklung gelingt, wenn Klienten in sogenannte Arbeitsgelegenheiten (AGHs) übernommen werden. „Hier haben wir acht Plätze. Das Jobcenter übernimmt die Sachkosten, sowie die Personalkosten für einen Anleiter“, berichtet Trauthig. An den AGHs nehmen Bewohner teil, die vorher auf Motivationsprämie gearbeitet haben und mehr als drei Stunden pro Tag arbeiten können. Die Arbeitsinhalte sind ähnlich und haben immer einen Umweltaspekt oder einen Bezug zur Nachhaltigkeit. Wegen des großen Außenbereiches finden sich immer genügend Projekte: „In den vergangenen Monaten haben wir beispielsweise einen Bauwagen umgebaut, der nun als Ausstellungsraum für die bei den AGHs hergestellten Gegenstände, wie Insektenhotels, Nistkästen und so weiter dient.“ Zudem werden Schafe, Hühner und Nandus betreut, ein Teich mit Wasserlauf wurde angelegt, ein Barfußpfad errichtet und vieles mehr. „Hier müssen und können die Teilnehmenden zeigen, dass sie die Arbeitstage komplett durchhalten“, so Diakon Heiner Trauthig. „Es gibt nur die vorgeschriebene Zahl an Urlaubstagen und sie müssen morgens pünktlich erscheinen. Aber das klappt, weil es den Menschen wichtig ist, dass sie eine Tagesstruktur haben.“

Besonderheit in Rheinland-Pfalz: Integrationsmaßnahme Arbeit

Wenn die Maßnahme gelingt, ist auch an dieser Stelle nicht Schluss mit der beruflichen Integration. „Wir können den Klienten Verträge für eine ‚Integrationsmaßnahme Arbeit‘ (IMA) anbieten“, berichtet Heiner Trauthig. „Dabei erhalten sie eine zunächst auf ein Jahr befristete Arbeitsstelle, meist in der Haustechnik, die zu 100 Prozent von den Kostenträgern, dem Landesamt für Soziales und dem Jobcenter, refinanziert wird.“ Der Klient erhält ein Gehalt, das der niedrigsten Besoldungsstufe des TvÖD entspricht. „Dieses Instrument als Bindeglied hin zu einer regulären Arbeitsstelle ist sehr hilfreich.“

Regulärer Job auf dem Arbeitsmarkt

Wem es gelingt, sich auch in diesem Arbeitsverhältnis zu bewähren, der ist auf einem gutem Weg Richtung Arbeitsmarkt. Diesen Weg ist Thomas Kern, als einer von vier erfolgreichen Klienten in den vergangenen Jahren: „Ich habe alles darein gesteckt, dass es gut läuft – die Wohnungslosenhilfe sollte ja nicht mein Ende sein“, sagt er nicht ohne Stolz. „Heute habe ich einen festen Arbeitsvertrag hier auf der Eremitage und sitze als Sozialdiensthelfer und vollwertiges Mitglied in der Runde der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.“ Man kann viel schaffen, so sein Motto, aber man muss es auch wollen.

Auch die Hausleitung ist froh über die vielfältigen Beschäftigungsmöglichkeiten, die auf dem gesamten Gelände und in den Gebäuden der Eremitage entstanden sind: „Diese Angebote geben Struktur und wirken sich positiv auf die Atmosphäre in der gesamten Einrichtung aus. Die Menschen haben die Möglichkeit, ihre Isolation zu überwinden und für einige bietet die Arbeit sogar eine Alternative zur Sucht. Auf jeden Fall erfahren sie eine höhere Lebensqualität.“