Bad Kreuznach | Menschen lernen, Grenzen zu ziehen

Stiftung kreuznacher diakonie/Andrea Djifroudi

BAD KREUZNACH. Menschen mit Behinderungen sind einem hohen Risiko ausgesetzt, Gewalt in verschiedenen Lebensbereichen zu erfahren. Das hat eine vor wenigen Monaten veröffentlichte Studie gezeigt, die im Auftrag des Bundesfamilienministeriums und Bundesarbeitsministeriums erstellt wurde. In der Werkstatt der Stiftung kreuznacher diakonie weiß man um diese Gefahren und bietet den Beschäftigten seit Jahren Kurse an, in denen sie lernen, Grenzen zu setzen und sich im Ernstfall auch zu wehren.

Anke Thomasky aus Gensingen kommt deshalb seit mehr als 15 Jahren immer wieder in die Werkstätten und übt mit Frauen und Männern in getrennten Gruppen unterschiedliche Inhalte - immer mit dem gleichen Ziel: Menschen mit Beeinträchtigungen zu empowern, für sich einzutreten. Denn Männer und Frauen sind unterschiedlichen Formen von Gewalt ausgesetzt. Das macht auch die Studie klar, die im Auftrag der Bundesministerien Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen erstmals wissenschaftlich untersucht hat. Grob zusammengefasst heißt es dort unter anderem: „Männer sind in ambulanten und stationären Betreuungssettings häufiger von körperlichen Übergriffen betroffen (20 Prozent) als Frauen (13 Prozent), während Frauen häufiger sexuelle Belästigung und sexuelle Gewalt erleben.“

Die Stiftung kreuznacher diakonie hat diese Selbstverteidigungskurse für Frauen bereits 1996 fest installiert. Kurz danach wurde klar, dass auch beeinträchtigte Männer einen Bedarf haben. Anke Thomasky, zertifizierte Wendo-Trainerin, weiß, wie für beide Geschlechter Gewalterfahrungen traumatisierend sind. Sie kennt aber auch die unterschiedlichen Bedürfnisse der beiden Gruppen und trainiert deshalb verschiedene Taktiken.

Die Männer im Kurs berichten offen, was sie erlebt haben: Beleidigungen, Abwertungen, aber auch körperliche Angriffe. Das macht sie wütend. Deshalb trainiert Anke Thomasky mit ihnen nicht nur das Thema Grenzziehung und Abwehrtechniken, sondern auch, wie sie mit der Wut umgehen können. „Die Männer müssen oft lernen, wie die Wut reguliert werden kann, Frauen, dass man die Wut auch mal rauslassen muss“, erklärt Anke Thomasky.

Angelia Oberkirch, Mitarbeiterin im Begleitenden Dienst und Deeskalationstrainerin der Stiftung kreuznacher diakonie, weiß, dass beide Geschlechter oft das Problem haben, dass ihnen die Sprache fehlt, um Geschehene auszudrücken oder dass ihnen nicht geglaubt wird. Und so wird ganz klar in beiden Gruppen geübt, „Stopp“ zu sagen, denn jeder Mensch hat das Recht, seine Grenzen selbst zu bestimmen.