Aus einem Übergangsjob wurde ein Berufs fürs Leben

Die Chorproben am Freitagabend, ihr Engagement im Heimatverein, in den die ganze Familie eingebunden ist, Lesen, Musik, Ehrenamt für die Kirchengemeinde – der Tag von Birgit Rämmler müsste eigentlich mehr als 24 Stunden haben. Und dabei fehlt bei dieser Auflistung noch das, womit sie ihr Geld verdient: die Arbeit als Krankenschwester im Ambulanten Dienst. Die möchte sie keinesfalls missen. Was sie hier vor allem antreibt, ist die Zufriedenheit und Dankbarkeit ihrer Klienten.  

32 Jahre lang arbeitet Birgit Rämmler nun schon bei der Diakonie Sozialstation Traben-Trarbach. „Ich könnte mir auch nichts anderes mehr vorstellen“, betont sie und schüttelt dabei nachdrücklich den Kopf. Dabei war ihr Weg in die Ambulante Pflege keineswegs vorgezeichnet. Nachdem sie im Koblenzer Krankenhaus Marienhof Hauswirtschaft gelernt hatte, absolvierte sie in Wittlich eine Ausbildung zur Krankenschwester. In Koblenz war sie anschließend in der onkologischen Gynäkologie des Krankenhauses tätig. Ihr Mann und sie führten eine Wochenendehe – er wohnte im Hunsrück, sie in Koblenz. Das war auf die Dauer kein haltbarer Zustand und so zog auch sie den Hunsrück.

Aus der Arbeit wird eine Berufung

Ihre erste Bewerbung auf eine Stelle im Ambulanten Dienst wurde abgelehnt, weil sie nicht im Bezirk der Sozialstation gewohnt hatte. Schon ein Jahr später wurde wieder eine Fachkraft gesucht und ihr Chef – der sich noch daran erinnern konnte, dass sie die Bewerberin war, die nicht umziehen wollte – nahm sie diesmal. Ursprünglich sollte ihre Bewerbung im Ambulanten Dienst in ihren Augen nur ein Sprungbrett sein. Daraus wurde für Birgit Rämmler aber ganz schnell eine Berufung und sie liebt die Touren durch die Ortsgemeinden rund um Traben-Trarbach zu ihren Klienten. „Es gibt Häuser, wo ich die dritte Generation pflege. Da gehört man schon zum Inventar“, erzählt sie. Genau das sei ja auch das Bewegende an ihrer Arbeit: Sie lerne im Laufe der Zeit Kinder, Enkel, Urenkel kennen, erfahre von Sorgen und Nöten, aber auch von den freudigen Ereignissen wie Hochzeiten, Geburtstagsfeiern und vielem mehr. Daher falle es ihr auch nie schwer, den Dienst an jeder Haustür mit einem Lächeln zu beginnen. „Die Klienten sind sehr sensibel dafür. Und sie muntern mich selbst auch immer auf, weil es einfach toll ist, wenn man am Ende der Treppe mit einem Lächeln erwartet wird.“ Viel Dankbarkeit seitens der Klienten, die längst wissen, wie sehr die Krankenschwester Musik mag und darum selbst spätestens dann das Radio anmachen, wenn sie kommt, ist Teil ihres Lohnes.

Auf die Frage, was ihr bei der Arbeit fehlt, antwortet Birgit Rämmler: „Die Anerkennung seitens der Allgemeinheit und der Kostenträger.“ Viele unterstellten den Ambulanten Diensten betrügerische Absichten, die Kassen lehnten Beantragtes oft erst einmal pauschal ab und dann müsse nachgewiesen werden, warum welche Leistung genau Sinn mache. „In der Zeit, in der wir dokumentieren müssen, könnte man so viel Gutes tun.“ Oft gibt es für sie nur die Möglichkeit, persönliche Gespräche mit den Klienten als ihre Pausenzeit zu deklarieren.

Anfang des Jahres hatte sich Birgit Rämmler für ein Interview des Diakonischen Werkes zur Verfügung gestellt, es folgten zwei Fernseh-Auftritte, in deren Verlauf die ambulante Versorgung auf dem Land im Mittelpunkt stand. Gerade vom Fernsehen aus kamen nur junge Leute, erzählt sie. Die seien aber auch wirklich sehr interessiert gewesen und hatten ihr dann zurückgemeldet, wie eindrucksvoll der Drehtag mit der Krankenschwester für sie war. „Realistisch war das aber nicht: Von meinen 26 Klienten im Frühdienst habe ich an dem ganzen Tag nur sechs geschafft und bei jedem von ihnen eine Stunde gebraucht.“

Im Laufe der vergangenen drei Jahrzehnte ist ihr aufgefallen, dass in den Gemeinden die „Kümmerer“ fehlen. Menschen, die eben mal schnell ein Rezept beim Arzt abholen, zur Apotheke fahren, dem Doktor die Haustür aufmachen, oder auch eine Stunde einfach nur da sind zum Reden. Nachbarn, Freunde und Familienangehörige sind aber meist entweder selbst auf Hilfe angewiesen, weggezogen oder sie müssen arbeiten. „Unser Schlüsselbund wird immer größer – es wird mehr Verantwortung auf uns übertragen“, merkt sie.