Wichernhaus entdeckt neue Wege in Zeiten von Corona

In einem Schreiben an die Angehörigen der Bewohnerinnen und Bewohner des Wichernhauses berichtet Einrichtungsleiter Bernd Meyer über das derzeitige Leben im Haus, das wegen des Besuchsverbotes aufgrund von Corona nicht betreten werden darf: 

„Es ist uns sehr wohl bewusst - und es ist auch für uns nicht einfach und schon gar nicht erfreulich - Sie „ausgesperrt“ zu wissen. Nachdem nun auch schon seit mehr als zehn Tagen auf Anordnung des Gesundheitsministeriums die Tagespflege geschlossen werden musste, ist es im Wichernhaus ziemlich ruhig geworden. Ruhe führt aber bei uns nicht zu Stillstand. Im Gegenteil. Das unverhoffte Mehr an zeitlichen und personellen Ressourcen (alle unsere Auszubildenden sind in der Praxis, die Mitarbeiterinnen der Tagespflege stehen zusätzlich zur Verfügung) eröffnet Möglichkeiten, die in „Normalzeiten“ nicht vorhanden sind.

Es ist - trotz aller Widrigkeiten - sehr schön, zu erleben, dass die Grundwerte der Altenpflege, Nähe zu geben, sich Zeit zu nehmen, individuelle Angebote zu machen, einfach auch mal da zu sein, ohne auf die Uhr schauen zu müssen, nicht verloren gegangen sind. Vielleicht trägt die aktuelle Krise ja auch ein wenig dazu bei, dass unser Gesundheitssystem zukünftig in Politik und Gesellschaft einen anderen Wert bekommt.

Um eine gewisse Normalität aufrecht zu erhalten, entstehen auch ganz kreative Ideen. Da auch unsere Frisöre nicht mehr in die Einrichtung dürfen, haben sich unsere drei Mitarbeiterinnen Marion Behres, Sabine Henn und Tatjana Schikaev, daran erinnert, dass sie im früheren Leben den Beruf der Frisörin gelernt haben. Kurzerhand haben sie in Eigenregie den Frisörbetrieb wieder aufgenommen. Ich bin jetzt nicht unbedingt der Fachexperte für Frisuren, aber ich bin mir recht sicher, dass die Ergebnisse sich sehen lassen können. Martina Zimmermann und Sylvia Collissy-Barth haben zwischenzeitlich den Andachtsraum zum Maniküre-Salon umfunktioniert - auch sie brauchen sich um Zulauf keine Sorgen zu machen. Sonja Görgen bietet nun fünfmal in der Woche Sport an und bei schönem Wetter an der frischen Luft - auch das ist gesichert.

Unsere ehemalige Mitarbeiterin, Alexa Ewertz, versorgt uns wöchentlich mit selbstgebackenem Kuchen, was der Stimmung zugutekommt. Mittlerweile ist auch die Fußpflege wieder gesichert. Hierfür wurde das Tagespflegebad umfunktioniert, um den Hygienerichtlinien zu entsprechen. Nicht selbstverständlich, aber umso erfreulicher sind die vielen Hilfsangebote, die aus Eigenregie entstanden sind und wertvolle Beiträge zur Verbesserung des Alltags leisten. Ein Beispiel: Die „Mundschutzhilfe im Saarland“ hat uns viele selbstgenähte und farblich ganz ausgefallene Mundschutzmasken geschenkt - dafür vielen Dank!

Erschreckend zu beobachten ist aber auch, dass bei nicht wenigen Mitbürgerinnen und Mitbürgern in solchen Zeiten die dünne Schicht der Zivilisation ganz schnell verloren geht. So werden Mitarbeitende, die in Frankreich wohnen, nicht selten angepöbelt weil sie ein „ausländisches“ Kennzeichen am Auto haben. Bedanken möchten wir uns aber auch bei all den Angehörigen, die nachgefragt haben, wie es uns eigentlich geht und Hilfe angeboten haben - ein gutes Zeichen dafür, dass Solidarität noch keine Einbahnstraße ist.

Bisher ist das Wichernhaus von Covid-19 verschont geblieben. Mit Sicherheit haben all die ergriffenen, absolut berechtigten und notwendigen Maßnahmen ihren Teil dazu beigetragen. Wir müssen davon ausgehen, dass diese auch noch drei Wochen lang Bestand haben. Bis dahin wird zu überlegen sein, wie es weitergehen kann. Auch wenn es dann wieder zu einer gewissen Normalisierung im Alltag kommen wird, bin ich mir sehr sicher, dass gerade dann die Menschen, die am meisten gefährdet sind - und das sind nun einmal auch die Pflegebedürftigen - noch eine längere Zeit einen besonderen Schutzschirm brauchen.

Ich grüße Sie alle im Auftrag der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Wichernhauses, auf die ich sehr stolz bin, und wünsche Ihnen eine gute Zeit und vor allem Gesundheit."

Bernd Meyer, M.A.,Einrichtungsleitung