Rechtenbach | Therapeutisches Reiten in der Jugendhilfe Rechtenbach

Mädchen mit Pferd

Jeanette wohnt inzwischen in einer Verselbständigungswohngruppe und ist auf dem Weg zum Schulabschluss

„Vom ersten Tag an bin ich mit zu den Pferden gegangen.“ Jeanette strahlt, wenn sie sich erinnert. Mit 13 Jahren zog sie in eine Wohngruppe der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe (KJF) Rechtenbach. „Unser Familienhelfer hatte mir die Einrichtung empfohlen – wegen der Pferde.“

In der KJF Rechtenbach im hessischen Lahn-Dill-Kreis, die zu den ältesten Einrichtungen in der Stiftung kreuznacher diakonie gehört, wohnen bis zu 68 Kinder und Jugendliche in fünf Gruppen, drei davon direkt auf dem großen Gelände des ehemaligen Hofguts. Schnell fand Jeanette eine Freundin und war mit ihr täglich unterwegs auf der Weide und im Stall mit Kaltblut-Mix Nala, dem Tinker-Mix Bella, mit der spanischen Stute Sunny oder mit der alten Bijou. Bis zu 24 Kinder nehmen wöchentlich an den „pferdegestützten Interventionen“, wie es im sozialpädagogischen Fachjargon heißt, teil. Die Kinder und Jugendlichen aus den Wohngruppen und der Tagesgruppe auf dem Gelände der KJF Rechtenbach sind eingeladen – je nach Bedarf – Pferde- und Stallluft zu schnuppern. Der Umgang mit den sensiblen Tieren ergänzt und unterstützt die pädagogische Arbeit und bietet therapeutische Hilfe, zum Beispiel bei Entwicklungsverzögerungen.

Sabine Textor, Physio- und Reittherapeutin und ihre Kolleginnen wissen um die Stärken der feinfühligen Vierbeiner. „Die Kinder, die zu uns kommen, sind häufig sehr belastet und es fällt ihnen anfangs oft schwer, zur Ruhe zu kommen, die Pferde zu beobachten, mit ihnen in Kontakt zu kommen und sich einzufühlen. Wir fangen mit den Basics an – da ist schließlich das Aufsitzen schon etwas Besonderes.“ Jeanette bestätigt das: „Zuerst baut man Vertrauen auf. Je mehr Vertrauen da ist, umso mehr traut man sich später zu“, erzählt die 18-jährige Schülerin und erinnert sich nicht nur an schöne Ausritte ins Gelände, sondern auch an die fantasievollen Märchen- und Theateraufführungen auf dem Rücken von Nala & Co in der Reithalle.

Therapeutischen Reiten unterstützt die pädagogische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Die Pferde beeinflussen die kognitive, die soziale und emotionale Entwicklung jedes Kindes auf unterschiedliche Art und Weise. Im Stall und in der Halle finden die Kinder mit Nala und den anderen Pferden Geborgenheit, Zuneigung und Sicherheit. Gleichzeitig überwinden sie Ängste, lernen, sich selbst einzuschätzen, Grenzen zu ziehen und ein positives Selbstbild zu entwickeln. „Das Pferd verfügt über viele Superkräfte! Eine davon: Sie haben keine Vorurteile“, sagt die erfahrene Reittherapeutin. „Das kommt den Kindern, die häufig emotional und sozial belastet sind, zugute.“ Ein sanfter und rücksichtsvoller Umgang mit den Tieren, der viel auf Kommunikation beruht und nicht auf Dominanz, ist den Therapeutinnen wichtig. „Es macht die Kinder froh und stolz, wenn es gelingt das Pferd anzulocken oder auch ‚Nein‘ zu sagen. Das unterstützt die Selbsteinschätzung der Kinder und gibt Selbstbewusstsein, was sie häufig zu Hause nicht entwickeln konnten.“

Das Zusammensein mit den Pferden und das Reiten begleiteten Jeanette, die inzwischen in einer Verselbständigungswohngruppe wohnt, beim Erwachsenwerden. Früher hat sie sich „nicht so gut gefühlt im Umgang mit Menschen.“ Bei den Tieren herrscht eine wichtige Grundregel: „Keine Streiterei im Stall.“ Hier geht es nur um die Pferde: „Ich habe gelernt, mich ein bisschen zurück zu nehmen – und wenn man das täglich macht, dann rutscht man in solch ein Verhalten einfach rein.“ Sie empfiehlt den Umgang mit Pferden ohne Wenn und Aber, nicht nur weil es Spaß macht, sondern insbesondere bei Stress. „Die Pferde helfen einfach, runter zu kommen und am Ende des Tages kann man sich abends beruhigt ins Bett legen – die Pferde nehmen uns einfach jede Last vom Herzen.“

Infos zu den Pferdegestützten Interventionen in der KJF Rechtenbach

Ponys und Pferde gibt es auf dem ehemaligen Hofgut der Stiftung kreuznacher diakonie in Hüttenberg-Rechtenbach schon seit mehr als dreißig Jahren. Schon früh entstand auf dem großzügigen Gelände der KJF Rechtenbach ein tiergerechter Offenstall. 2009 wurde mit dem damals vorhandenen Pferdebestand ein reittherapeutisches Konzept entwickelt. Die Maßnahme eignet sich für verhaltensauffällige und sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche und nach Absprache für psychisch kranke, behinderte oder von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche.
Weitere Informationen zu den Pferdegestützten Interventionen

Spenden

Um die Reittherapie auch für die Zukunft sichern zu können, bittet die Kinder-, Jugend- und Familienhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie um Spenden. Spenden sind möglich auf das Spendenkonto der Stiftung kreuznacher diakonie IBAN DE50 1006 1006 1006 1006 40 – Stichwort „Reittherapie“ oder online.