Bad Kreuznach | Kuschel-Therapie für die Kleinsten im Diakonie Krankenhaus

Kind liegt bei seiner Mutter auf dem Bauch

Durch die Känguru-Methode wird eine starke Eltern-Kind-Beziehung aufgebaut

Eng gekuschelt auf die Brust seiner Mama Laura liegt der kleine Luis im gemütlichen Halbdunkel der Kinderintensivstation des Diakonie Krankenhauses. Seine Haut ist durchscheinend, die Ärmchen dünn wie Finger. Luis ist eine Frühgeburt. Am 27. Oktober und damit gut drei Monate vor dem errechneten Geburtstermin kommt Luis mit 1040 Gramm in Bad Kreuznach zur Welt. Neben Laura und ihrem Söhnchen liegt eine weitere Mama im Känguru-Stuhl, ihr Frühgeborenes auf dem Bauch. Känguruhen oder Känguru-Methode nennt man diesen engen Körperkontakt zwischen Frühchen und ihren Eltern, bei dem die nur mit einer Windel bekleideten Kinder auf den nackten Oberkörper der Mutter oder des Vaters gelegt werden – eine essentiell wichtige Methode, um durch den Hautkontakt die Bindung zwischen Eltern und Kind zu stabilisieren.

„Um vier Uhr wird bei uns gekuschelt“, sagt Nina-Maria Oesterle. Die examinierte Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin arbeitet seit 2012 auf der Kinderintensivstation und weiß, wie wichtig der Haut-zu-Haut-Kontakt ist: „Gerade bei Frühgeborenen sind die enge Bindung, die Nähe und Wärme zu den Eltern sehr wichtig für den Entwicklungsprozess. Das Baby hört die Stimme und den Herzschlag, kann den Körpergeruch der Eltern wahrnehmen und wird selbst zu ruhigen und regelmäßigeren Atemzügen angeregt. Gleichzeitig überträgt sich die Körperwärme auf das Neugeborene. Die Herz- und Atemfrequenz sowie die Sauerstoffversorgung eines Frühgeborenen sind auf der Brust der Eltern oft stabiler als im Inkubator. Deshalb empfehlen wir unseren Eltern mindestens ein bis zwei Stunden am Tag zu kuscheln, gerne auch mehr.“

Kuscheln als lebenswichtige Maßnahme

Das Känguruhen ist eine inzwischen wissenschaftlich erforschte Methode, die auf einen kolumbianischen Kinderarzt zurück geht. Weil dort in den 1980er und 90er Jahren zu wenige Brutkästen zur Verfügung standen, suchte er für Babys, die zu früh auf die Welt kamen, eine andere Wärmequelle. Dabei stieß er auf eine Abhandlung über Kängurus, deren Nachwuchs immer als kleines Frühchen geboren wird und die ihre unreifen und nackten Jungen im warmen Beutel behalten, bis sie sich vollständig entwickelt haben und bereit sind, ins Leben zu springen.

„Studien belegen, dass sich Frühgeborene, die ab der Geburt regelmäßig in engem Hautkontakt mit ihren Eltern stehen, besser entwickeln. Atmung und Herzfrequenz sind bei ihnen gleichmäßiger, sie schreien seltener und schlafen ruhiger. Sie fühlen sich geschützt, schütten weniger Stresshormone aus und entwickeln so eine stärkere Immunabwehr. Damit verbessert die Känguru-Methode die Überlebenschancen“, bestätigt der für die Kinderintensivstation zuständige Oberarzt Dr. Edmondo Hammond. Zusammen mit der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe bildet dieser Bereich das Perinatalzentrum Level 1 und sichert die umfassende Versorgung für Neugeborene jeden Reifealters.

Eltern genießen Kuscheleinheiten genauso wie ihre Kinder

Auch die Eltern profitieren von der Zweisamkeit. „Durch die Känguru-Methode wird eine starke Eltern-Kind-Beziehung aufgebaut. Bei Müttern regt es die Milchbildung an und erleichtert oft das Stillen. Bei Vätern hilft es Berührungsängste abzubauen und den sicheren Umgang mit ihrem noch sehr zart und zerbrechlich wirkenden Kind einzuüben“, beobachtet Nina-Maria Oesterle, die zugleich stellvertretende Stationsleitung der Neonatologie ist (Fachbegriff für die Frühchenstation). Eltern von Frühgeborenen befinden sich in einer sehr herausfordernden Zeit. Durch das Känguruhen Herz an Herz können auch sie zur Ruhe kommen. Deshalb wird im Diakonie Krankenhaus auch nicht nur um vier Uhr gekuschelt. „Wenn es der Gesundheitszustand des Kindes zulässt, können sich Eltern mit ihrem Kind immer auf den Liegestuhl zurückziehen. Erfahrungsgemäß ist es hier aber morgens mit Visiten und Untersuchungen oft sehr wuselig. Gegen Nachmittag kehrt dann Ruhe ein“, informiert die Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin.

Mittlerweile ist auch Papa Stefan aus Idar-Oberstein im Krankenhaus eingetroffen, um seine Frau Laura und Söhnchen Luis zu besuchen. Seine Kuschelzeit ist samstags. „Ein unbeschreiblich schönes Gefühl“, sagt er. Im Diakonie Krankenhaus wendet man das Känguruhen nicht nur bei Frühgeborenen an. „Wenn es machbar und medizinisch möglich ist, bieten wir das Bonding allen Müttern an, die bei uns gebären. Wir haben dafür spezielle Wickeltücher und Bonding-Tops“, sagt Nina-Maria Oesterle.

Wer sich über die Möglichkeiten von Bonding und Känguruhen genauer informieren möchte, kann das bei einer der nächsten Info-Veranstaltungen der Geburtsstation machen. Der nächste Termin ist am 11. Januar.