Kirn | Diagnose digital: Hausarzt kommt per Video-Schalte

Team Pilotprojet Tele-Medizin im Haus Bergfrieden Kirn, Seniorenhilfe Stiftung kreuznacher diakonie

Für das Team des Pilotprojekts ist die Video-Visite eine sinnvolle Ergänzung in der medizinischen Versorgung

Dr. Hans-Wolfgang Scheuer sitzt in seiner Kirner Praxis, vor sich am Computer betrachtet er eine Live-Übertragung aus dem Haus Bergfrieden. Dort sind eine Mitarbeiterin und eine Bewohnerin per Tablet-Monitor mit dem Mediziner verbunden. Einige Nachfragen nach dem aktuellen Befinden der Gefilmten gibt es noch, dann kann der Hausarzt die Therapie anpassen. Damit weiß auch die Mitarbeiterin, eine Pflegefachkraft, was jetzt zu tun ist. Irmgard B. wohnt seit Jahren im Haus Bergfrieden, einer Einrichtung der Seniorenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie in Kirn. Auf digitalem Weg und in Echtzeit kommunizieren die beiden mit dem Arzt. Alle Seiten profitieren dabei von der technischen Neuerung dieser besonderen „Video-Visite“. Dr. Hans-Wolfgang Scheuer war von Anfang an dabei, als das Projekt „Konzeptentwicklung einer telemedizinischen Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern in der Region Soonwald-Nahe“ vor zwei Jahren ins Leben gerufen wurde. Die Leiterin des Hauses Bergfrieden, Martina Christoffel, hat zusammen mit ihrem Team das Pilotprojekt ins Haus geholt und engmaschig begleitet. Mit 20.500 Euro haben der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes und das rheinland-pfälzische Entwicklungsprogramm Umweltmaßnahmen, ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Ernährung dieses Projekt gefördert.

Seitdem wurden die Pflegefachkräfte im Umgang mit Tablets und der entsprechenden Software geschult, sodass sich Haus- und auch Fachärzte bei Bedarf im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild machen können, ohne direkt zur Visite in die Albert-Pfeiffer-Straße kommen zu müssen. So können die Mitarbeitenden kleine Wunden mit Hilfe der Tablet-Kamera zeigen und zusammen mit der Bewohnerin oder dem Bewohner per Video-Call die Symptome ausführlicher schildern. „Das ersetzt nicht die persönliche Visite, ist aber eine sinnvolle Ergänzung“, melden alle am Projekt Beteiligten zurück. Auch ein begleitendes Forschungsprojekt bestätigt dies: Das Forschungsnetzwerk Gesundheit der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft in Ludwigshafen macht durch die Begleitforschung (Lehrforschungsprojekt und Abschlussarbeiten) deutlich, inwieweit die telemedizinische Versorgung Auswirkungen auf die Versorgungsqualität in der Langzeitpflege hat. Dabei wurden über die gesamte Dauer des Projektes immer wieder Befragungen durchgeführt.

Video-Visite entlastet Hausarzt und Pflegekräfte

Die Technik erlaubt es, dass bei Tele-Visiten bis zu fünf Menschen zuzuschalten, sodass auch Angehörige daran teilnehmen können oder aber mehrere Fachärzte ein gemeinsames Konsil zu einem Bewohner oder einer Bewohnerin absolvieren. Zusammen mit Dr. Hans-Wolfgang Scheuer hat das Haus Bergfrieden in den beiden Projektjahren 55 derartige digitale Visiten organisiert. Gerade in den Zeiten des Hausärztemangels können digitale Hausbesuche die Fachkräfte im Pflegeprozess entlasten. Vor dem Hintergrund, dass sich die hausärztliche Versorgung auf dem Land verschlechtert hat sowie den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie ist das Projekt der Tele-Visite gerade zur richtigen Zeit gekommen. Ganz praktisch sorgt diese Möglichkeit dafür, dass beispielsweise Verbände der Bewohnerinnen und Bewohner des Hauses Bergfrieden nicht mehr so häufig gewechselt werden müssen, weil die Mediziner anhand der Live-Bilder nachvollziehen können, was zu tun ist, ohne selbst vorbeikommen und einen womöglich gerade frisch angelegten Verband wieder entfernen zu müssen.

„Der Hauptvorteil für die Pflege ist tatsächlich, dass die Ärzte besser an benötigte Informationen kommen und dass die Mitarbeitenden dadurch mehr Handlungssicherheit erhalten. Außerdem können unter Umständen sogar Krankenhauseinweisungen verhindert werden. Es gibt eine höhere Planungssicherheit, wenn die Ärzte mit uns feste Zeiten vereinbaren, an denen die Visiten durchgeführt werden und Einzelanrufe oder Faxe zwischen Einrichtung und Ärzten reduziert werden können“, berichtet Martina Christoffel. Hausärztinnen und Hausärzte können den digitalen Hausarztbesuch mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen. Das Projekt kann daher einen Beitrag zur Entlastung des Fachkräftemangels im hausärztlichen Bereich sowie in der Pflege leisten. Durch eine Bündelung von virtuellen Hausarztbesuchen in einer Pflegeeinrichtung und die dadurch eingesparte Zeit können Ressourcen geschont werden. Zum offiziellen Abschluss des Projektes hatten sich alle daran Beteiligten im Haus Bergfrieden getroffen, wo sie zusammen Bilanz zogen. Eines ist sicher: Die Stiftung kreuznacher diakonie wird diese Form der Visite auch über den Projektzeitraum hinaus fortführen und mit Hilfe eines einheitlichen Konzeptes in weiteren Einrichtungen sowie in den Ambulanten Diensten einführen.