„Margarete, Else, Cecilie, …“ 98 Mädchen und Frauen bei ihren Namen nennen, um so die Erinnerung an sie wach zu halten – das war wesentlicher Bestandteil der Gedenkfeier der Stiftung kreuznacher diakonie am Volkstrauertag in der Kirche auf der Asbacher Hütte. Von hier aus waren sie vor 80 Jahren in die „Provinzialirrenanstalt“ Obrawalde bei Meseritz (damalige preußische Provinz Posen, heute in Polen) deportiert worden. Sie wurden alle ermordet.
Vor Beginn des Gedenkgottesdienstes bekamen die Gäste kleine Schiefertäfelchen, in die die Druckerei des Bad Kreuznacher Betriebes der Diakonie Werkstätten jeweils einen der Namen eingraviert hatte. Bei seiner Begrüßung betonte der Vorstand der Stiftung kreuznacher diakonie, Andreas Heinrich, dass Gedenken allein nicht ausreiche – auch unser heutiges Handeln müsse immer reflektiert werden. „Wir tragen gemeinsam die Verantwortung dafür, die Erinnerung an die Deportierten aufrecht zu erhalten“, sagte er.
In drei Abschnitten wurden die 98 Namen im Wechsel verlesen, die beiden Teamleiterinnen Diakonin Petra Bengelsdorf und Ulrike Braun machten dabei den Anfang. Danach brachte Pfarrer Michael May einen Brief von Schwester Elisabeth Baumotte an den damaligen Vorsteher Pfarrer Johannes Hanke zu Gehör. Die Diakonisse bat inständig darum, die Mädchen und Frauen vor der Deportation zu bewahren, weil sie – völlig Zurecht – das Schlimmste für sie fürchtete. Letztendlich setzten sich aber die Behörden durch, Pfarrer Hanke antwortete ihr, dass es keine freien Plätze für die Bewohnerinnen des Hauses „Grüne Aue“ gebe. „Er weidet mich auf einer grünen Aue“ – so lautet ein Bibelvers aus dem bekannten Psalm 23, der mit den Worten beginnt „Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Und genau nach diesen Zeilen ist das Haus „Grüne Aue“ auf der Asbacher Hütte benannt, erläuterte Diakon Mario Klein. „Das, was dieser Name versprach, konnten wir nicht einhalten“, bekannte er.
"Für die Sicherheit und das Wohlergehen gerade der verletzlichen Bürgerinnen und Bürger sorgen"
Die Vorsitzende des Heimbeirates, Wilma Landes, und die Vorsitzende des Werkstattrates, Michaela Seinsoth, verlasen weitere 30 Namen, bevor Pfarrer Michael May aus den Erinnerungen von Fritz Niemand an seine schreckliche Zeit in Meseritz zitierte. Melanie Göretz, Regionalleitung Soziale Teilhabe, erläuterte den Namen des Nachbarhauses „Eben-Ezer“, was so viel heißt wie „Stein der Hilfe“. Gemeint ist, dass Gott dabei hilft, dass es einen Ort zum Leben gibt. Den beiden Einrichtungsleiterinnen Silke Nörling und Julia Wittmann fiel die Verlesung der übrigen Namen zu, bevor der Landrat des Landkreises Birkenfeld, Miroslaw Kowalski, das Wort ergriff: „Es ist eine zentrale Aufgabe des Staates und damit auch der Kommunen, für die Sicherheit und das Wohlergehen gerade der verletzlichen Bürgerinnen und Bürger zu sorgen. Da tragen wir eine besondere Verantwortung.“ In der Zeit des Nationalsozialismus sei der Staat dieser Verantwortung nicht gerecht geworden.
Nur sieben Bewohnerinnen, die bereits 1943 vom Niederreidenbacher Hof aus deportiert worden waren, kamen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder zurück auf die Asbacher Hütte. „Keine von ihnen hat über diese Zeit gesprochen, aber sie haben ihren christlichen Glauben bewahrt und immer einen starken Bezug zu Psalm 23 gehabt“, schloss Pfarrer Michael May. Die beiden Bundestagsabgeordneten Dr. Joe Weingarten (SPD) und Julia Klöckner (CDU) nutzten noch die Gelegenheit, die besondere Verantwortung von Staat und Gesellschaft für alle Menschen zu betonen, danach gingen die Gäste auf den Friedhof der Asbacher Hütte. Dort legten sie die Namensschildchen auf einen Tisch am Kreuz neben dem Gedenkdenkstein für die Deportierten nieder. Diese Schilder sollen bald zu einem neuen Mahnmal auf dem Gelände zusammengestellt werden, damit die Namen nie in Vergessenheit geraten.