Alltag in der Zentralen Notaufnahme

Zwischen Notfall-Schnupfen und Schlaganfall

„Wir haben einen neurologischen Patienten dabei“, ruft der Notarzt in das Anmeldezimmer der Zentralen Notaufnahme (ZNA) im Diakonie Klinikum Neunkirchen. Hinter sich zieht er, flankiert vom Rettungsassistenten, eine Liege. Der ältere Patient ist bei Bewusstsein, aber scheint verwirrt. Der Mediziner ergänzt: „Verdacht auf Apoplex“ - Schlaganfall.

Mit schnellen Schritten kommt eine Krankenpflegerin dazu: „Wie lange?“, fragt sie knapp in Richtung Notarzt, während sie den Patienten bereits in eines der ersten freien Zimmer schieben. „circa sechs Stunden“, lautet die Antwort. Gemeint ist die Zeit, die seit dem Schlaganfall vermutlich vergangen ist. Für die Neurologin, die den Patienten bereits erwartet, ist dies eine entscheidende Frage, die den weiteren Behandlungsverlauf bestimmt. Bei einem Schlaganfall gilt: „Time ist brain“ - jede Minute zählt.

An diesem Freitagvormittag werden noch weitere Patienten mit dem Verdacht auf Schlaganfall in die Neunkircher Notaufnahme gebracht. Das Klinikum hat eine sogenannte Stroke Unit, eine Schlaganfall Station, und wird deshalb von den Rettungsdiensten bei Notfällen mit entsprechenden Symptomen der lebensbedrohlichen Diagnose häufig angefahren. Denn Notarzteinsatzfahrzeuge fahren nicht wahllos Krankenhäuser an. Nähe zum Einsatzort, Belegung der Stationen, insbesondere der Intensivstationen, Ausstattung der zentralen Notaufnahme und Fachabteilungen sind je nach Fall entscheidende Faktoren. Die Koordinierung der Einsätze erfolgt über die Rettungsleitstelle.

Zertifiziertes Traumazentrum

Das Diakonie Klinikum Neunkirchen ist neben der zertifizierten Akut-Behandlung bei Schlaganfällen auch Lokales Traumazentrum. Das bedeutet, dass Unfallopfer mit Polytraumen, also mehreren, teils lebensbedrohlichen Verletzungen, dort schnellstmöglich und umfassend versorgt werden können. Kommt es zu einem solchen Fall, wird über die hausinterne Telefonanlage der „Trauma-Alarm“ ausgelöst: Festgelegte Ansprechpartner verschiedener medizinischer Disziplinen werden alarmiert und reagieren sofort. „So kommt es manchmal vor, dass in unserem Schockraum bis zu zehn Personen stehen und nach festgelegten Abläufen mit allen Mitteln versuchen, das Leben des Verletzten zu retten“, erzählt der Ärztliche Leiter der Zentralen Notaufnahme, Georg Rach.

Parallel zu der Versorgung der Patienten, die mit Rettungsdienst oder Notarzt eintreffen, kommen einbestellte Patienten mit dem Krankentransport und Menschen mit akuten Beschwerden in die Ambulanz der ZNA. Sie haben Bauchschmerzen, Verstauchungen, Arbeitsunfälle, Platzwunden: „Es gibt viele Gründe, warum die Ambulanz genutzt wird. Manche haben ernste gesundheitliche Probleme, andere kommen, weil die Hausarztpraxis gerade geschlossen ist oder der Termin beim Orthopäden zu lange dauert“, erzählt Rach. Dass die ZNA verstopft ist, weil ständig Menschen kommen und den Notruf wählen, die keine „echten“ Beschwerden haben, kann der Unfallchirurg nicht bestätigen. 44 Prozent der insgesamt 18.625 Fälle im Jahr 2018 wurden nach der Erstversorgung in der ZNA sogar stationär aufgenommen. „Natürlich kommt es vor, dass die Beschwerden auch bis zum nächsten Tag hätten warten und vom Hausarzt versorgt werden können. Aber ein Laie kann es eben schwer selbst beurteilen, ob es nun dringend ist oder nicht.“, erklärt Rach und verweist auch auf kulturelle Unterschiede: „Schmerzwahrnehmung und -ausdruck unterscheiden sich immens.“

Ersteinschätzung: Das Manchester Triage System

Alle Patienten, ambulant oder Notfall, unter einen Hut zu bekommen, ist eine Herausforderung für alle Notaufnahmen von Krankenhäusern. Es kann durchaus vorkommen, dass lange Wartezeiten entstehen, denn in der ZNA wird nach Dringlichkeit behandelt, nicht nach dem Zeitpunkt der Anmeldung. Doch wie entscheidet man, wer zuerst von einem Arzt gesehen werden sollte? Ein Ansatz, der international zum Einsatz kommt und nun auch im Diakonie Klinikum Neunkirchen eingeführt wird, ist das Manchester Triage System.

Dafür werden sogenannte Ersteinschätzer ausgebildet. Patienten, die ohne Notarzt-Begleitung eintreffen, werden in den ersten fünf Minuten zu einem kurzen Anamnese-Gespräch gebeten. Der Ersteinschätzer misst die Vitalwerte und fragt das Beschwerdebild nach einem Fragekatalog ab. Je nach Leitsymptom gibt es typische Fragestellungen, die dabei helfen, die Dringlichkeit in die Kategorien blau - nicht dringend, grün - normal, gelb - dringend, orange - sehr dringend und rot - lebensbedrohlich, einzuordnen. Für jede Kategorie gibt es vorgeschriebene Reaktionszeiten.

Wann soll man in die Notaufnahme? Wann ruft man die 112?

Die Auslastung der ZNA schwankt. Es gibt Stoßzeiten, etwa Montag oder Freitag am Vormittag. Doch grundsätzlich gilt: Geduld mitbringen. Lebensbedrohliche Notfälle haben immer Vorrang. Wenn die Rückenschmerzen seit mehreren Wochen bestehen, ist die Notaufnahme der falsche Ort. Ist eine Person nicht mehr ansprechbar, zieht schwer nach Luft, klagt über eine plötzlich auftretende Lähmung, leidet unter Brustschmerzen, hat starke Blutungen oder einen Krampfanfall, sollte man keine Zeit verlieren und gleich den Notarzt unter 112 anrufen. Treten Fieber, eine Magen-Darm-Erkrankung oder Beschwerden auf, mit denen man im Normalfall zum Hausarzt gehen würde, die Praxis aber geschlossen ist, gibt es den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung, erreichbar unter der bundesweiten Telefonnummer 116117. Meistens sind die Bereitschaftsdienste der niedergelassenen Ärzte direkt an ein Krankenhaus angeschlossen, so dass im Ernstfall auch direkt eine stationäre Aufnahme oder eine Versorgung im Krankenhaus veranlasst werden kann.