Eine Krebserkrankung ist eine Notfallsituation

Der Weltkrebstag erinnert jährlich daran, über die tückische Volkskrankheit aufzuklären und ihr vorzubeugen. In den vergangenen Monaten hatten viele Betroffene zusätzlich zu der ohnehin großen Belastung mit Unsicherheiten aufgrund der COVID-19 Pandemie zu kämpfen: Bin ich im Krankenhaus sicher? Spielen Patienten mit bösartigen Tumoren momentan überhaupt eine Rolle? Anlässlich des internationalen Gedenktages am 4. Februar erzählt ein Patient aus dem Diakonie Klinikum Neunkirchen von seinen Ängsten und seiner Erfahrung mit der schweren Erkrankung in Zeiten von COVID-19:

Ende 2019 stand die Welt für Thilo Wagner* plötzlich Kopf: Morgens im Bad hustete er Blut. Eine anschließende Untersuchung zeigte dunkle Schatten auf der Lunge des 72-jährigen Saarländers – Diagnose Krebs. Das lebenswichtige Organ wurde bestrahlt. Die Behandlung war erfolgreich; ein erstes Aufatmen. Doch dann kam wenig später die ernüchternde Nachricht, dass auch die Milz, das größte lymphatische Organ des Körpers, betroffen ist. Lungenkarzinome streuen häufig in die Milz. Wieder versuchte man es mit Bestrahlung, mit sehr hoher Konzentration, doch dieses Mal ohne Erfolg, der Krebs blieb hartnäckig. Für Wagner*, seine Frau und seinen Sohn eine Zerreißprobe. Denn mittlerweile war es Anfang 2020, die Corona-Pandemie überzog bereits das Land und bündelte Kapazitäten in den Krankenhäusern. Aber vor allem brachte sie große Unsicherheit mit sich, besonders für den immungeschwächten Senior: „Ich hatte Angst davor ins Krankenhaus zu gehen. Gerade weil meine Lunge von der Krebserkrankung und der Bestrahlung geschwächt war. Ich dachte für mich, wenn du jetzt ins Krankenhaus gehst, kommst du da nicht mehr raus.“ Doch wie das Schicksal es wollte, blieb Wagner* auch von der nächsten Erkrankung nicht verschont. Eine Gallenkolik zwang ihn in die Knie, die Gallenblase war entzündet, seine Frau rief den

Rettungswagen. Der brachte ihn ins Diakonie Klinikum Neunkirchen, durch die Zentrale Notaufnahme kam er in die Abteilung für Allgemein- und Viszeralchirurgie, die von Privatdozent Dr. Thorsten Plusczyk geleitet wird.

 

Ausführliche Anamnese

„Eine entzündete Gallenblase ist ein akuter Notfall, der sofort behandelt werden muss, sonst drohen schwere Komplikationen“, erklärt der Chefarzt. Im Gespräch zwischen Arzt und Patient eröffnet Wagner* dem Chirurgen, dass er Krebspatient ist. Er erzählt ihm von seiner Sorge den Tumor operieren zu lassen, besonders wegen der grassierenden Pandemie. Doch Plusczyk kann ihn beruhigen: „Wir testen unsere Patienten bevor wir sie aufnehmen auf COVID-19. Wir trennen positive und negative Patienten räumlich strikt voneinander. Wenn wir operieren wägen wir alle Ressourcen ab und können mit unserer Erfahrung anhand der aktuellen Situation im Haus und der Dringlichkeit der Behandlung einschätzen, wann wir operieren. Für jeden ist klar: Wenn man vom Gerüst fällt und sich schwer verletzt, ist das ein Notfall. Aber auch eine Krebserkrankung ist eine Notfallsituation – wenn der Patient nicht behandelt wird, stirbt er vielleicht nicht von jetzt auf gleich, aber seine Zukunftsprognose verschlechtert sich. Wie akut die Situation ist, finden wir nicht nur aufgrund der Aktenlage heraus, sondern insbesondere im Gespräch mit dem Patienten“. Für den erfahrenen Chirurgen war klar, die Gallenblase muss operiert werden – und die Milz auch. Plusczyk entfernt häufig Tumore im Bauchraum, das ist Routine für ihn. Nach dem ausführlichen Gespräch geht es auch ganz schnell: Mit dem Einverständnis von Wagner* entnimmt Plusczyk bei der Operation die Gallenblase und die Milz, der Patient ist danach krebsfrei. „Hätte ich die Gallenkolik nicht gehabt, glaube ich nicht, dass ich ins Krankenhaus gegangen wäre“, erzählt der zähe Mann aus Schiffweiler. Weil es vielen so geht, wie Thilo Wagner*, appelliert Plusczyk zum Weltkrebstag an alle Betroffenen: „Sprechen Sie mit dem Arzt Ihres Vertrauens, haben Sie keine Angst vor dem Krankenhaus. Wir sind da, um zu helfen“.

 

*Name geändert