Bad Kreuznach | Verdeckte Wohnungslosigkeit bei Frauen erkennen und helfen

Junge Frau sitzt auf Bank drauߟen

Viele Frauen, die ihre Wohnung verlieren, versuchen in der ä–ffentlichkeit nicht aufzufallen.

„Frauen in Not, die auf der Straße leben, sind in Bad Kreuznach wenig sichtbar“, sagt Katrin Uhrig. „Speziell, wenn es um Frauen geht, haben wir eine verdeckte Wohnungslosigkeit.“ Die Sozialarbeiterin der Wohnungslosenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie ist eine Expertin, die es wissen muss. Seit 2022 ist sie als Straßensozialarbeiterin in Bad Kreuznach unterwegs.

„Verdeckte Wohnungslosigkeit“ betrifft Menschen, die keine eigene Wohnung, keine Unterkunft bei den Eltern oder in der Partnerschaft haben, aber auch nicht auf der Straße oder in Behelfsunterkünften wohnen. Die „verdeckt“ Wohnungslosen versuchen bei Freunden oder Bekannten unterzukommen – und diese Lösungsmöglichkeit kommt laut Statistik bei Frauen wesentlich häufiger vor als bei Männern. Männer finden im Notfall eher als Frauen Unterkunft in Einrichtungen der stationären Wohnungslosenhilfe oder „machen Platte“ und sind mit Schlafsack und Isomatte unterwegs. Beide Möglichkeiten bergen für Frauen ungleich größere Gefahren: Sowohl in gemischtgeschlechtlichen Notunterkünften als auch auf der Straße sind sie von Gewalt und sexuellen Übergriffen bedroht.

In Kontakt zu den Frauen aus prekären Wohnsituationen kommen die Kolleginnen der Wohnungslosenhilfe häufig über die Auszahlung der Tagessätze für Menschen ohne festen Wohnsitz. Die Wohnungslosenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie führt die Auszahlung im Auftrag des Jobcenters durch. „Hier treffen wir die Menschen und sehen schnell, wer neu in eine prekäre Situation geraten ist“, berichtet Mehtap Zengince-Pauli, Mitarbeiterin im Sozialdienst der Wohnungslosenhilfe. „Bei dieser Gelegenheit kommen wir oft ins Gespräch und können uns ein Bild über die Notlage machen.“ Viel häufiger als Männer haben Frauen – auch wenn sie in einer Partnerschaft in einer gemeinsamen Wohnung leben – keinen Mietvertrag unterzeichnet. So müssen sie bei ernsten Konflikten die Wohnung verlassen und sind dann ohne Absicherung. Sie gehen Zweckgemeinschaften ein, um ein Dach über dem Kopf zu haben. Mit dem „Couchhopping“ lassen sich einige Wochen oder Monate überbrücken. Aber den Schlafplatz gibt es häufig nicht umsonst, die wechselnden Bekanntschaften erwarten oftmals eine sexuelle Gegenleistung für das Mitwohnen. Damit befinden sich die Frauen auf einer Gratwanderung zwischen "sich anbieten" und "sich schützen" müssen. Für die meisten stellt Prostitution ein Tabu dar, und ihre prekäre Situation erleben sie mit einer ambivalenten Haltung: Einerseits handeln sie selbstbestimmt, andererseits setzen sie sich diesen traumatisierenden Wohnverhältnissen aus.

Gut vernetzt für Frauen in Not

In einer solchen Situation wünschen sich betroffene Frauen konkrete Überlebenshilfe und ein Hilfsangebot, bei dem ihre Gesamtsituation und die häufig vielfältigen Problemlagen betrachtet werden. „Niedrigschwellige Angebote wie die Straßensozialarbeit und der Tagesaufenthalt in unserem Café Bunt mit dem Angebot von Mahlzeiten, Waschmaschine und Dusche, bieten zunächst eine unbürokratische Hilfe“, erklärt Zengince-Pauli. „Und in Notsituationen bekommen Frauen in unserer Notunterkunft einen Schlafplatz.“

Im ersten Schritt unterstützen die Sozialarbeiterinnen dabei, die Lebenssituation der Frauen zu stabilisieren. Anfangs liegt der Schwerpunkt in der Beziehungsarbeit und in vertrauensvollen Kontakten zu den Frauen. Um im nächsten Schritt effektiv helfen zu können und Perspektiven aufzuzeigen, ist es notwendig, ein Netz von unterschiedlichen Einrichtungen, Ämtern und Behörden im Hintergrund zu haben: „Die Vernetzung gelingt in Bad Kreuznach gut. Der enge Draht zum Jobcenter, zum Frauenhaus, zur Schuldnerberatung und vielen anderen ist absolut hilfreich. Die Fachberatungsstelle für Wohnraumsicherung des Trägervereins Reling e.V. hat im vergangenen Jahr dieses Netz sinnvoll ergänzt“, berichtet Katrin Uhrig. „Beschränkender Faktor bleibt allerdings hier, wie auch in vielen anderen Städten, der fehlende, bezahlbare Wohnraum.“

Hörtipp "Internationaler Frauentag"

Am Mittwoch, 8. März 2023, dem Internationalen Frauentag, sind die Sozialarbeiterinnen Katrin Uhrig und Mehtap Zengince-Pauli zu Gast bei Antenne Bad Kreuznach. Im Talk „Nahe dran“ von 8.30 bis 9.30 Uhr informieren sie über die Straßensozialarbeit und die Notunterkunft für Frauen in Not. Die Sendung wird im Anschluss in der Mediathek von Antenne 88,3 nachzuhören sein.