Simmern | Digitale Hebammensprechstunde schafft neue Möglichkeiten

Die TeleHebamme bei der digitalen Sprechstunde, Hunsrück Klinik der Stiftung kreuznacher diakonie

Die TeleHebamme bei der digitalen Sprechstunde

Die Geburt eines Kindes ist etwas ganz Besonderes. Auf dem Weg dorthin wünschen sich Schwangere und deren Familien Unterstützung und Beratung. Doch in Deutschland gibt es immer weniger Hebammen – ein reales Problem für viele Frauen. In vielen Regionen ist es schwierig bis unmöglich eine Hebamme zu finden. Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat die Stiftung kreuznacher diakonie 2021 das Projekt TeleHebamme ins Leben gerufen, bei dem Schwangere und deren Familien vor und nach der Geburt über Telefon- und Videosprechstunde betreut werden. Bis zum heutigen Zeitpunkt wurden 140 Familien von den examinierten Hebammen Annika Frank und Katharina Maucher begleitet.

Eine von ihnen ist Franziska Görres, die mit ihren drei Kindern und ihrem Mann Niclas in Rheinböllen lebt. „Bei der Anmeldung zur Geburt meiner ersten Tochter Leni Marleen 2021 haben mir die Hebammen der Hunsrück Klinik von diesem tollen Projekt erzählt. Da ich zu diesem Zeitpunkt leider keine Hebamme hatte, nahm ich das Angebot gerne an. Besonders gut gefallen hat mir die einfühlsame Art der Hebammen. Dabei haben sie mit großem Fachwissen und praktischen Tipps die neue Situation so angenehm wie möglich gestaltet. Bei der Geburt meiner zweiten Tochter wusste ich, dass ich wieder von den TeleHebammen betreut werden möchte“, erzählt Franziska Görres.

Frauen aus dem Rhein-Hunsrück-Kreis und der Stadt und dem Landkreis Bad Kreuznach, die nach der Geburt keine aufsuchende Hebamme finden, können sich an die TeleHebammen wenden und das Angebot bis zu drei Monate kostenlos nutzen. Über Telefon und Videochat stehen die Hebammen mit Mutter, Baby und manchmal auch dem Vater in Kontakt und beraten zu Themen wie Stillen, Ernährung, Gewicht, Bauchweh oder Babyschlaf, aber auch zur Rückbildung und Beckenbodentraining. Familien werden montags bis freitags zwischen 9 und 17 Uhr individuell beraten. Die TeleHebamme kooperieren mit den Frühen Hilfen und vermitteln bei Bedarf auch weitere professionelle Unterstützungsangebote. „Der Austausch über die gesicherte Online-Videosprechstunden-Plattform funktioniert schnell und unkompliziert. Die beiden Hebammen sind jederzeit erreichbar. Natürlich wünscht man sich anfangs eine Face-to-Face-Betreuung. Dennoch war der Kontakt über den Videochat eine gute Alternative“, ergänzt die junge Familie, die sich gerade in Rheinböllen ein Eigenheim baut.

Familien auf dem Land profitieren besonders vom Angebot "Telehebamme"

Annika Frank und Katharina Maucher sind sich der problematischen Situation bewusst, wenn Familien auf dem Land keine Hebamme für die Nachsorge finden: „Jede fünfte Frau ist betroffen und die Tendenz ist steigend. Gerade in ländlichen Gebieten kann eine Hebamme wegen größerer Entfernungen und langer Fahrstrecken weniger Familien betreuen. Rund 30 Prozent der Frauen blieben in den letzten Jahren in der Hunsrück Klinik nach der Geburt ohne Nachsorge-Hebamme. Eine umfangreiche Betreuung und Beratung ist aber für Frauen im Wochenbett sehr wichtig.“

Genau wie bei einer aufsuchenden Hebammenbetreuung treffen sich Familien mit ihrer TeleHebamme mehrmals wöchentlich zur Sprechstunde. Dazwischen stehen die Hebammen per E-Mail oder Telefon für Fragen zur Verfügung. „Ich kann das Projekt anderen Schwangeren, frischgebackenen Müttern und deren Familien nur empfehlen. Ich habe mich die ganze Zeit gut betreut gefühlt, für meine Ängste und Unsicherheiten gab es immer ein offenes Ohr und man konnte über alles sprechen. Die betreuenden Hebammen Annika Frank und Katharina Maucher waren einfach großartig“, schwärmt die 29-Jährige. „Wir haben bei der Betreuung durch die TeleHebammen nichts vermisst. Alle Gespräche waren immer auf einer freundschaftlichen und vertrauten Ebene. Auch ich als Vater wurde super auf meine Rolle vorbereitet und in das Thema miteinbezogen“, fasst der 31-jährige Niclas zusammen.

Natürlich hat eine Videosprechstunde aber auch Grenzen: Saug- oder Schluckverhalten der Kinder können über eine Kamera weniger gut erkannt werden als vor Ort. Hinzu kommen sprachliche Hürden oder technische Probleme. Dennoch ist die TeleHebamme eine wertvolle, praktische und zeitoptimierende Ergänzung zur Arbeit einer klassischen Hebamme.

Gefördert wird das Projekt aus Mitteln der Europäischen Union und des Landes Rheinland-Pfalz durch LEADER. Das Projekt läuft am 30. Juni 2023 in dieser Form aus. Dabei entlastet die professionelle Betreuung gleichzeitig auch Kinder- und Hausärzte. „Wir haben gemeinsam Leitlinien erarbeitet und das Konzept anhand verschiedener Fallbeispiele erprobt. Fragebögen ergänzen unsere Arbeit. Durch die wissenschaftliche Betreuung der Universität Koblenz-Landau werden zusätzlich Interviews mit Frauen geführt, die sich dagegen oder dafür entschieden haben“, betont Dr. Kay Goerke, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe an der Hunsrück Klinik. Die Evaluation soll bis zum 1. Juni 2023 abgeschlossen sein.