Bad Kreuznach | MZEB: Alles aus einer Hand für Gina und andere Menschen mit Behinderung

Hans-Peter und Gina Geis fühlen sich im Medizinische Behandlungszentrum für Erwachsene mit Behinderung bzw. schweren Mehrfachbehinderungen gut aufgehoben

Gina Geihs, hier mit ihrem Vater (l.), lebt betreut, aber selbstständig in einer Wohngruppe der Stiftung kreuznacher diakonie.

Gina Marie Geihs ist vor 21 Jahren im Diakonie Krankenhaus Bad Kreuznach zur Welt gekommen – viel zu früh und viel zu klein. Die Folgen der Frühgeburt prägen die junge Frau bis heute und vermutlich ihr ganzes Leben lang. Im Alltag hat sie unter anderem Probleme mit Zahlen. Wege kann sie sich auch nicht merken und wenn ihre Tablettendosis nicht stimmt, bekommt sie epileptische Anfälle. Ihr fehlt eine Niere. Das ist aber nur eine Aufzählung von Defiziten, die nichts über die Persönlichkeit der jungen Frau aussagen, die als lebensfroher Mensch längst mit beiden Beinen im Leben steht. Begleitet wurde und wird sie von verschiedenen Experten der Stiftung kreuznacher diakonie, die ein Unterstützungsnetzwerk für Menschen wie Gina Marie geschaffen hat.

Ihr Vater Hans-Peter Geihs kann die Geschichte von Anfang an erzählen. Seine Frau und er erwarteten damals Zwillinge – eine Risikoschwangerschaft. Das Diakonie Krankenhaus ist Pränatalzentrum Level 1 – also die erste Adresse für werdende Eltern in dieser Situation. Gina und ihr Bruder wurden viel zu früh ins Leben katapultiert – Gina war auch noch deutlich zu leicht und damit unterentwickelt. Wochenlang war sie auf der Frühchenstation bis die Eltern ihre „Süße“ mit nach Hause nehmen durften. Der Bruder hatte es, dank seines höheren Geburtsgewichts, nicht so schwer wie seine Schwester.  

Vernetzte und multidisziplinäre Angebote in der Stiftung kreuznacher diakonie

Gina Marie Geihs wirkt heute deutlich jünger als andere 21-Jährige – zierlich, fröhlich und unbeschwert. Sie sitzt auf ihrem Bett in der Wohngruppe des Hauses Am Bühl auf dem Campus der Stiftung kreuznacher diakonie und erzählt über ihre Arbeit in der Werkstatt der Behindertenhilfe und ihren Alltag. Hinter ihr an der Wand hängen Fotos von ihrer Familie in Rheinböllen. Die Eltern haben in Zusammenarbeit mit dem Sozialpädiatrischen Zentrum (SPZ) jede Form von Frühförderung und Therapie vom Kleinkindalter an wahrgenommen. In der Bethesda Schule war das Mädchen Klassensprecherin und vor kurzem ist sie zuhause ausgezogen um – zwar betreut, aber selbständig in Bad Kreuznach zu leben.

Das Medizinische Behandlungszentrum für Erwachsene mit Behinderung bzw. schweren Mehrfachbehinderungen (MZEB) ist dabei ein wichtiger Baustein: Regelmäßig wird hier geschaut, welche Chancen Gina Marie Geihs noch wahrnehmen kann, um ihre Gesundheit und ihre Selbständigkeit zu verbessern. Dr. Michael Sicker, Ärztlicher Leiter des Rehamedizinischen Dienstes, Dr. Dorothee Zundel, Leiterin des SPZ, und Dr. Jörg Reinke, Oberarzt des MZEB, sind stolz auf die junge Frau, die in ihrer Entwicklung bereits einen Marathon hingelegt hat: „Im multidisziplinären Team, das neben Ärzten auch psychologische, therapeutische und psychosoziale Leistungen bietet, können wir auch den besonderen zeitlichen und organisatorischen Bedarf dieser Personengruppe bei der Behandlung berücksichtigen.“

Auch Hans-Peter Geihs wirkt zufrieden: „Wir fühlen uns gut aufgehoben.“ Er engagiert sich im Angehörigenrat der Stiftung kreuznacher diakonie und ist so auf vielfältige Weise mit der Einrichtung verbunden, die seine Tochter durchs Leben begleitet.

Hör-Tipp: Dr. Michael Sicker wird am Montag, 6. März, zwischen 8.30 und 9.30 Uhr beim Talk "Nahe dran" bei Antenne 88,3 über die Arbeit des MZEB berichten. Die Sendung können Sie auch im Anschluss in der Mediathek von Antenne hören.

Hintergrund-Info: Dr. Tanja Sappok, Professorin für „Medizin für Menschen mit Behinderung, Schwerpunkt psychische Gesundheit“ an der Universität Bielefeld, hat in einem Interview im Januar 2022 erklärt: Nicht der Mensch muss sich unserem System anpassen, sondern das System muss sich dem Menschen anpassen. Denn noch immer ist die Lebenserwartung von Menschen mit einer kognitiven Einschränkung 20 Jahre niedriger als bei Menschen ohne Behinderung. Es gibt Untersuchungen, die gezeigt haben, dass 30 bis 50 Prozent der Todesfälle durch eine optimierte Gesundheitsversorgung vermeidbar wären. Oft gehen die Betroffenen aufgrund schlechter Erfahrungen gar nicht erst zum Arzt, wodurch die Behandlung deutlich verzögert wird. Oder die Zugangswege in die medizinische Versorgung sind erschwert. Auch die Behandlung selbst wird teilweise weniger umfassend durchgeführt als bei Menschen ohne Behinderungen. In Bezug auf Schmerzen zeigen Studien, dass Menschen mit Behinderungen häufig an Schmerzen leiden, die nicht adäquat behandelt werden. Entweder, weil die Ursache der Schmerzen nicht behandelt wird oder die Schmerzbehandlung selbst nicht ausreichend ist.“

Quelle: kma-Online.de