„Ronaldo“ hat den Ball eng am Fuß, die Gegenspieler sind schnell umrundet und ehe der Torwart sich versieht, zappelt der Ball im Netz. „Ronaldo“ heißt eigentlich Dennis Geib. Er trägt trotzdem das Trikot des portugiesischen Fußballstars. Der schlanke, talentierte Junge wohnt im Bodelschwingh Meisenheim, einer Einrichtung der Behindertenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie. Dort kicken die Bewohnerinnen und Bewohner – egal ob jung oder alt, Mann oder Frau – regelmäßig auf dem Aschenplatz und treten auch gegen Teams aus fast ganz Rheinland-Pfalz an.
Sascha Lamb, Arbeitspädagoge/ Fachkraft für Arbeits- und Berufsförderung im Bodelschwingh- Zentrum, steht heute als Trainer auf dem Platz. Normalerweise sind seit vielen Jahren auch Rainer Pukall und Gerd Litzenberger, ein ehemaliger Kollege, mit dabei. Seit über 40 Jahren gehört Fußball zu den Freizeit-Aktivitäten der Menschen mit Behinderung, die in Meisenheim leben und arbeiten. Die Besetzung der Teams hat immer wieder gewechselt, der Spaß am Training nicht. Rainer Pukall: „Viele Jahre lang haben auch „Nicht-Behinderte" Fußballer mitgespielt, das hat sich nach der Corona-Zeit verändert. Derzeit kommen selten Spieler außerhalb des Zentrums dazu.“ Das ist für alle schade, denn die Liebe zum runden „Leder“ ist eine gute Gelegenheit, sich gegenseitig kennenzulernen und das Thema Inklusion mit Leben zu füllen.
Dass nicht Jede und Jeder hier so perfekt wie „Ronaldo“ am Ball ist, macht den Trainern nichts aus. Hier wird auf die Stärken der SpielerInnen auf und abseits des Platzes, das soziale Miteinander und den Zusammenhalt geschaut, nicht auf die Defizite. Das ist der einzige, aber große Unterschied zu den Teams, in denen der „echte“ Ronaldo dereinst gespielt hat. Ansonsten wird auch hier ehrgeizig trainiert und sich im Zweikampf nichts geschenkt. Der alte Aschenplatz, wie ihn früher viele Dorfvereine hatten, ist in die Jahre gekommen. „Die Drainage fehlt“, erzählt Rainer Pukall. Er und Sascha Lamb machen die Unebenheiten wett: „Tore und Netze wurden neu beschafft!“ Was noch fehlt, ist ein guter Satz Trikots: „Ein Sponsor wäre toll“, meint Pia Schönfeld, die den Freizeit-Bereich im Bodelschwingh-Zentrum leitet.
Liga-Betrieb mit anderen Einrichtungen der Behindertenbehilfe
Der Liga-Betrieb findet in vier Regionalgruppen, verteilt auf ganz Rheinland-Pfalz statt. Die Meisenheimer spielen in einer Gruppe mit dem Team der Caritas in Trier, der Lebenshilfe Idar-Oberstein, den Mannschaften von Zoar in Rockenhausen und Kaiserslautern und den Barmherzigen Brüder aus Zemmer. Normalerweise spielt auch die Asbacher Hütte, ebenfalls in Trägerschaft der Stiftung kreuznacher diakonie mit, aber dort kann derzeit keine Mannschaft gestellt werden. Sascha Lamb und Rainer Pukall wissen, dass beim Sport auch Emotionen hochkochen können. Darin unterscheiden sich die Sportler nicht von Fußballern auf anderen Plätzen der Kreisligen. Doch hier wird Rücksicht genommen, auf das, was andere „Behinderungen“ nennen – sprich, auf die Beeinträchtigungen, die jeder so mit sich bringt.
Fußball verbindet. Im Fachjargon der Mitarbeiter ermöglicht er „Teilhabe“. Dahinter steckt das, was die Vielfalt der Gesellschaft ausmacht und bereichert: das gleichberechtigte Miteinander von Menschen – egal wie alt und woher, egal wie perfekt, schön oder schnell. Das Bodelschwingh-Team fährt gerne zu Auswärtsspielen und freut sich auf jedes Freundschaftsspiel – etwa bei den Sportfesten der Umgebung. Sepp Herberger, den die Spieler hier schon fast nicht mehr kennen, hat behauptet: „Elf Freunde müsst ihr sein!“ Im Bodelschwingh-Zentrum gibt es mehr als elf Fußballfreunde mit EM-Fieber.