Tag gegen den Schlaganfall: Experten raten zu schnellem Handeln, auch während der Pandemie

Zeit ist und bleibt der härteste Gegner von Dr. med. Andrea Teschner und Dr. med. Stefan Scholvien. Die beiden Neurologen sind jeweils Oberärzte der Stroke Units am Diakonie Klinikum in Neunkirchen und am Diakonie Krankenhaus in Bad Kreuznach. Beide mahnen, die eigene Gesundheit nicht aufs Spiel zu setzen, aus Angst vor einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus. Am Sonntag, 10. Mai, dem Tag gegen den Schlaganfall, den die Deutsche Schlaganfall-Hilfe jedes Jahr ausruft, werden Schlaganfälle bundesweit thematisiert, um Menschen vor den Folgen eines Blutgerinnsels im Kopf zu schützen.

„Ein Schlaganfall ist ein dringender Notfall, der sofort behandelt werden muss – auch während der COVID-19 Pandemie. Bitte alarmieren Sie umgehend den Notruf 112, wenn Sie plötzlich Lähmungserscheinungen, Gefühls- oder Sehstörungen, ungewohnt heftige Kopfschmerzen feststellen, nicht mehr richtig sehen oder sprechen können, oder gar bewusstlos wurden“, erläutert Teschner. In den vergangenen Wochen hat die Neurologin einen deutlichen Rückgang an Schlaganfall-Patienten in der Zentralen Notaufnahme und ihrer spezialisierten Abteilung, der sogenannten Stroke Unit, bemerkt: „Dabei haben die Leute ja momentan nicht weniger Schlaganfälle.“ Laut der Deutschen Schlaganfall-Gesellschaft erleiden jährlich 260.000 Menschen in Deutschland einen Schlaganfall. Die Zahl steigt stetig und lässt sich auch von dem neuartigen Coronavirus nicht aufhalten.

Bei der medikamentösen Auflösung der Verstopfung in den Blutgefäßen, durch die der Schlaganfall ausgelöst wird, zählt jede Minute – nicht erst, wenn der Patient am Tropf und am Überwachungsmonitor angeschlossen ist. „Wer innerhalb der ersten Stunde nach dem Auftreten der Symptome therapiert werden kann, hat gute Chancen als vollkommen geheilter Mensch das Krankenhaus wieder zu verlassen“, so Dr. Mathias Elsner, Chefarzt der Inneren Medizin. Dr. Scholvien ergänzt die Warnung des Kardiologen: „Rufen Sie sofort den Rettungsdienst, nicht den Hausarzt, lassen Sie sich nicht von der Ehefrau fahren und fahren Sie auf gar keinen Fall selbst, auch wenn die Symptome nur vorübergehend aufgetreten sind.“ Der Facharzt für Innere Medizin weiß aus Erfahrung, welche Folgen jede zeitliche Verzögerung hat. Das Zeitfenster für eine erfolgreiche, ursächliche Behandlung des Schlaganfalls beträgt nur wenige Stunden. Mit jeder Verzögerung werden die Schäden im Gehirn größer. Schäden, die später durch intensive Therapie wie Krankengymnastik, Ergotherapie oder Logopädie behandelt werden müssen – oder bleibend sind.

Befürchtungen von Patienten, die vielleicht aus Sorge vor eine COVID-19-Ansteckung nicht oder zu spät ins Krankenhaus kommen, treten beide diakonie-Ärzte mit klaren Fakten entgegen: „Jeder COVID-19-Verdachtsfall wird im Haus streng isoliert behandelt. Wir haben nicht – wie z.B. in Italien – eine Durchseuchung des Personals. Wir haben unsere Hygienestandards noch einmal stark heraufgesetzt und der aktuellen Situation angepasst. Beim Schlaganfall ist nicht Corona unser Gegner, sondern die Zeit.“

Das Diakonie Klinikum Neunkirchen (DKN) der Stiftung kreuznacher diakonie ist während der Pandemie ein Krankenhaus der Regelversorgung. Das heißt, dort werden vorwiegend Patienten mit anderen Krankheitsbildern, wie Krebserkrankungen, Herzleiden oder Schlaganfällen, behandelt. Landet trotzdem ein Patient im DKN, der positiv auf das Coronavirus getestet wurde, wird er strikt von anderen Patienten getrennt: „Die Trennung beginnt schon in unserer Zentralen Notaufnahme. Es gibt spezielle Laufwege und Räumlichkeiten, um COVID-19 Patienten zu isolieren. Die weitere Behandlung findet in einem abgetrennten Gebäudeteil statt. Wir können uns nach wie vor intensiv und uneingeschränkt um Menschen kümmern, die einen Schlaganfall erleiden oder andere behandlungsbedürftige Krankheiten haben. Die gibt es nämlich neben Corona immer noch“, erklärt Teschner.