Bad Kreuznach | "Scharfschützen" auf dem Weg zur Boccia-Meisterschaft

Marcus Heidrich weist seine Assistentin einStiftung kreuznacher diakonie/ Andrea Djifroudi

Marcus Heidrich weist seine Assistentin ein

Marcus Heidrich und Fabian Schneider haben ein Ziel und ein Datum vor Augen, wenn sie montags in die Theodor Fliedner Halle der Stiftung kreuznacher diakonie rollen. Die beiden E-Rollstuhlfahrer wollen am 17. und 18. September in Wiesbaden bei der Deutschen Meisterschaft im Boccia starten. Der Bundesverband für Körper- und mehrfach behinderte Menschen richtet dieses Turnier der besten deutschen Boccia Athleten zum 17. Mal aus.

Marcus Heidrich und Fabian Schneider brauchen viel, um diesen Leistungssport ausüben zu können. Beide können sich trotz Elektrorollstuhl kaum bewegen: Geduld, Präzision und Teamarbeit sind die drei wichtigsten Bausteine, um in der Liga mitzuspielen. Marcus Heidrich hat viel Erfahrung. 2004 war er schon einmal Deutscher Meister. Die Theodor Fliedner Halle der Stiftung kreuznacher diakonie dient als Landesleistungszentrum Boccia. Der Verein Sportfreunde Diakonie Bad Kreuznach, der mit der Stiftung kooperiert, richtete sogar 2004, 2014 und 2016 die Deutschen Meisterschaften aus.

Auf dem Boden der Fliedner-Halle sind mit weißen Linien Boxen eingezeichnet. Die dürfen die Rollstuhlfahrer nicht überfahren. Heidrich und Schneider sind so genannte „Rampenspieler“. Weil sie die mit Granulat gefüllten Boccia-Bälle nicht mit der Hand werfen können, haben sie Rampen, die ein bisschen aussehen wie Ski-Sprungschanzen. Eine Assistentin baut vor Ihnen die speziell für sie gefertigten Rampen nach ihren Anweisungen auf. Es wird gezielt, der richtige Ball ausgewählt und dann mit Hilfe eines Kopf- oder Handstabes ausgelöst. Rampen und Handstäbe sind Spezialanfertigungen – speziell für Marcus Heidrich und Fabian Schneider gebaut und immer wieder modifiziert.

Jürgen Erdmann-Feix, der bei der Stiftung kreuznacher diakonie, das Sportprogramm für Menschen mit Behinderungen zuständig, trainiert die Wettkampfsportler wie Marcus und Fabian, aber auch die Hobbysportler. Er kennt die Regeln in und auswendig, schließlich war er einmal Bundestrainer. Marcus Heidrich und Fabian Schneider haben normalerweise jeder einen eigenen Assistenten, der im Wettkampf nur nach ihren Anweisungen handeln darf: Jeden Handgriff, den sie ja nicht selbst ausführen können, müssen sie überlegen und dem Assistenten anweisen: „Wir müssen uns verlassen und vertrauen können, wenn die Rampe, über die später die Bälle rollen, aufgebaut und einjustiert wird.“ Sie wählen den richtigen Ball aus. Denn die Bälle, die mit unterschiedlichem Granulat gefüllt und unterschiedlich hart sind, haben unterschiedliche Rolleigenschaften. Das bedeutet: „Um einen Ball richtig zu platzieren, ist nicht nur die Ausrichtung der Rampe entscheidend. Die Höhe der „Abschussposition“, das Gewicht  und die Rolleigenschaften des Balles spielen eine entscheidende Rolle, ob man die Bälle richtig und taktisch klug platzieren kann“, erklärt Marcus Heidrich.

Wer die beiden zusammen mit ihren Assistenten beobachtet, bekommt einen riesen Respekt. Denn sie müssen nicht nur diese Aspekte alle berücksichtigen. Als „Profis“ wissen sie, dass auch der Hallenboden im Wettkampf und Temperatur und die Luftfeuchtigkeit über Sieg oder Niederlage entscheiden können. „Allein Aufbau und einjustieren kann Stunden dauern. Das Einspielen in einer fremden Halle dauert Tage“, so Heidrich. Auch die taktischen Überlegungen – ähnlich wie beim Billard – wo mit den eigenen Bällen der Gegner blockiert werden kann bzw. auch die fremde Kugel einfach weggeschossen wird, gehören zum Boccia.  Wenn es nicht so martialisch klingen würde, könnte man Marcus und Fabian als Scharfschützen bezeichnen. Im September in Wiesbaden werden Sie für Bad Kreuznach antreten: Sie spielen um zu gewinnen.

Holger Griebel, Geschäftsbereichsleiter der Behindertenhilfe, freut sich über die Erfolge der Bocciaspieler und die fruchtbare Zusammenarbeit mit den Sportfreunden: „Der Verein leistet hier für die unsere Bewohner finanziell und personell ganz Großes! Die SpielerInnen als Sportfreunde Diakonie sind seit Jahren bundesweite Werbeträger unsere Stiftung. Ich bin stolz darauf, was hier geleistet wird.“