Meisenheim | "Heftigster Einsatz" von Katastrophenhelferin Iris Hoos

Katastrophenhelferin DRK

Nach dem Einsatz in der Turnhalle von Ahrweiler war Nervennahrung gefragt.

Es ist ein sehr extremer Spagat, den Iris Hoos zur Zeit bewältigt: Während ihrer Arbeit im Bodelschwingh Zentrum in Meisenheim ist sie in Gedanken ständig an der Ahr. Hier war sie als Katastrophenhelferin vom ersten Abend an für den Kreisverband Alzey des Deutschen Roten Kreuzes im Einsatz für die Opfer der Flutkatastrophe. Der Alarmierung konnte sie sofort Folge leisten, weil in ihrem Dienstplan schon lange ein freies Wochenende angesetzt war. Der eigentlich geplante Truck-Grand-Prix auf dem Nürburgring ist normalerweise für sie „ein absolutes Muss“. Statt des Rennens folgte „mein heftigster Einsatz überhaupt“. In Andernach war sie bis in der Nacht zum Samstag unterwegs. „Wir waren in einer Turnhalle, wo wir die Menschen betreut haben, die gerade alles verloren hatten.“ Eben mit dem Nötigsten ausgestattet, fanden sich die Überlebenden jetzt im Trockenen wieder, kamen wenigstens ein bisschen zur Ruhe. Für die 42-Jährige Helferin hieß es in den nächsten Stunden hauptsächlich zuhören. Die Menschen wollten über Erlebtes berichten. Wer konnte sich wie retten? Um welchen Preis? Was ging in den Fluten unter? Habe ich wirklich genug getan, um Menschen zu retten? Oder hätte ich noch einmal in die Fluten gehen müssen, wo Tische, Autos, scharfe Gegenstände (besonders Glas) für Verletzungen sorgten? Nach ihrem anschließenden Dienst in Meisenheim, einem Bad und einigen wenigen Stunden Schlaf ging der Melder gleich wieder: Einsatz diesmal in Ahrweiler. Gemeinsam mit den Notfallseelsorgern ging es auch jetzt überwiegend darum, zuzuhören. „Manchmal konnten wir auch erste Sachen in die Wege leiten“ – schließlich ist furchtbar viel zu regeln. Bis Dienstag war sie dort, dann wieder Dienst in Meisenheim und der dritte Einsatz an der Ahr folgte gleich am Wochenende darauf. Nicht nur körperlich, insbesondere seelisch verlangt dieser Spagat der Mitarbeiterin der Stiftung kreuznacher diakonie gerade alles ab. „Am Liebsten wäre ich die ganze Zeit im Katastrophengebiet. Da werde ich gerade am meisten gebraucht“, sagt sie. Andererseits hätte sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie die Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeit im Stich lassen würde. Gerade ist Urlaubszeit, mancher fällt krankheitsbedingt aus und gerade bei ihren Schützlingen – verhaltensauffälligen Menschen mit Behinderung – ist es extrem wichtig, dass ihnen vertraute Mitarbeiter zur Verfügung stehen. All das weiß Iris Hoos zu gut – weshalb es sie innerlich fast zerreißt.

2007 hat sie als Integrationshelferin im Haus Schaukel angefangen. Dort begleitete sie zunächst einen der jungen Bewohner, Mambu Kitemoko, anderthalb Jahre in der Schule und der Tagesförderstätte und ist dann Teil des Mitarbeiterteams im Geschäftsbereich Behindertenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie geworden. Heute arbeitet sie im Haus an der Tanne in einer Wohngruppe mit acht verhaltensauffälligen Menschen im Alter von 30 bis 64 Jahren. Auch hier ist oft „Katastrophenmodus“: wütende Schreie, das Zerschlagen der Einrichtungsgegenständen, Toben – all das gehört zum Alltag in dieser Gruppe. Als wüssten die Bewohnerinnen und Bewohner an diesem Mittag, dass Iris Hoos in den letzten Tagen eindeutig zu wenig Schlaf bekommen hat, sind sie „so ruhig wie sonst nie“.

Zeit, die sie nutzt, um von den Bildern zu berichten, die sie gesehen hat, den Geschichten nachzuhören, die ihr erzählt wurden. Es sind Erlebnisse, die ihr im Moment auch den nötigen Schlaf rauben. Ihr 17-jähriges Ehrenamt beim DRK-Kreisverband Alzey konnte die Odenbacherin hierauf nicht vorbereiten, aber die enge Verbundenheit zu diesem Team hilft ihr, mit den Eindrücken fertig zu werden. „Der Kreisverband ist sehr hintendran, was Nachsorge und Hilfestellungen angeht“, schildert sie. Katastrophenhilfe ist ihr Ding, seit ihr Ex-Mann sie dazu brachte, sich aktiv im DRK-Ortsverband Alzey einzubringen. Rettungshundestaffel-Begleiterin, Sanitätsdienst-Begleiterin und zwischenzeitlich Kreisbereitschaftsleiterin sind nur einige Stufen der Leiter, die sie im Verband erklommen hat. Obwohl sie von Odenbach aus eine längere Anfahrt hat, bleibt sie ihrem Verband treu. Schließlich hat sie dort gelernt, wie sie jetzt am besten für Menschen in Not da sein kann.