Bad Sobernheim | Hüttenberg atmet regionale Diakonie-Geschichte

Ehemaliges Mutterhaus der Stiftung kreuznacher diakonie auf dem Hüttenberg in Bad Sobernheim

Ehemaliges Mutterhaus der Stiftung kreuznacher diakonie auf dem Hüttenberg in Bad Sobernheim

Der Bauzaun steht schon länger, jetzt haben die Handwerker mit den Arbeiten begonnen: Das erste Mutterhaus der Stiftung kreuznacher diakonie auf dem Hüttenberg in Bad Sobernheim wird kernsaniert. Damit wird ein das Stadtbild prägendes Haus, dessen Mauern vor allem Diakonie-Geschichte atmet, wieder mit Leben gefüllt. „Mit unseren Investitionen werden wir diesen Standort der Behindertenhilfe weiterentwickeln“, sagt Sven Lange, Vorstand Soziales der Stiftung, die in Bad Sobernheim ihre Wurzeln hat. Zudem will man auch für das 130-jährige Bestehen des Gebäudes in diesem Jahr gerüstet sein. 

Im Oktober 1889 eröffnete Pfarrer Hugo Reich in Sobernheim das II. Rheinische Diakonissen-Mutterhaus im Pfarrhaus des Ortes. An Martin Luthers Geburtstag im Jahr 1893 wurde das neue Mutterhaus auf dem Hüttenberg eingeweiht. Wenn das schöne Gebäude, von dessen Turmdach aus man einen herrlichen Ausblick auf die Felkestadt hat, reden könnte, hätte es viel zu erzählen. Ursprünglich lag das Gelände noch außerhalb der Stadt. Das Grundstück wurde 1889 sofort gekauft, weil klar war, dass mehr Platz gebraucht wird - für die Betreuung und Pflege von Menschen mit geistiger Behinderung. Ein Arbeitsauftrag, den zunächst die Diakonissen, später andere Mitarbeitende bis zum heutigen Tage hier erfüllen. In dieser Zeit wuchs die Dringlichkeit, für immer mehr Menschen in schwierigen Lebenslagen da zu sein.

Eine zügige Expansion unterstützt durch Schenkungen – wie etwa 1892 die Asbacher Hütte durch Friedrich von Bodelschwingh – und Übernahmen – wie 1890 das Hilfskrankenhaus in Bad Kreuznach –  zeigte schnell, dass Bad Sobernheim nicht genügend Platz für die Fülle der sozialen Aufgaben dieser Zeit bot. Bereits 1898 wird der Grundstein für ein neues Mutterhaus in Bad Kreuznach gelegt, das zum Dreh- und Angelpunkt der heutigen Stiftung kreuznacher diakonie wird.

Bad Sobernheim bleibt wichtig für die Behindertenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie

Der Hüttenberg in Bad Sobernheim bleibt bis heute ein wichtiger Standort der Behindertenhilfe: Er bietet derzeit 87 Menschen ein Zuhause und soziale Teilhabe – betreut und begleitet von etwa 60 Mitarbeitenden, fast alle Fachkräfte wie Erzieher*innen, Heilerziehungspfleger*innen, Gesundheits- und Krankenpfleger*innen, Altenpfleger- und Altenpflegehelfer*innen sowie weitere Assistenzkräfte. Zu den heutigen Einrichtungen in Bad Sobernheim gehören der „Hüttenberg“, eine Wohnanlage mit Park mit mehreren Wohngruppen, und mehrere Wohngemeinschaften in der direkten Nachbarschaft sowie innerhalb der Stadt. Zudem beherbergt der Hüttenberg seit mehr als zehn Jahren das Prader-Willi-Kompetenzzentrum, eine Spezial-Einrichtung, die in ganz Rheinland-Pfalz einmalig ist.

In den Anfängen sollten alle Bewohnerinnen –  zunächst ausschließlich Frauen – , die dazu in der Lage waren, auch im Haus oder in Küche und im Garten helfen. Die Einrichtung lebte fast als Selbstversorgerin. Außerdem gab es Gruppen, die Gebrauchsgegenstände wie Kokosmatten, Wäscheseile, Bürsten oder Besen herstellten. Manche haben auch die Sitzflächen von Stühlen neu geflochten – die Anfänge der Werkstätten, die heute ganz andere Arbeit leisten. Heute montieren Beschäftigte der Bad Sobernheimer Werkstatt, die 1978 eröffnet wurde, beispielsweise Baugruppen oder Montagesets aus den Bereichen Elektro, Metall oder Kunststoff.

Die Kriegs- und Nachkriegsjahre des Ersten Weltkrieges waren eine harte Zeit. Anfang der 1930er Jahre lebten in der „Anstalt Hüttenberg“ 60 weibliche „Schwachsinnige“ – wie sie im Sprachgebrauch der damaligen Zeit genannt wurden. 20 Bewohnerinnen wurden in der Nazi-Zeit deportiert und viele von ihnen ermordet. Nach dem Ende des Regimes gab es zunächst eine Geburtsstation auf dem Hüttenberg. Immer wieder stehen also auch heute noch begeisterte Menschen aus Bad Sobernheim vor ihrem Geburtshaus. In den 60er und 70er Jahren zogen neue pädagogische Konzepte in das geschichtsträchtige Haus ein.

Bereits 1979 wurden die ersten selbstständigen Bewohnerinnen und Bewohner in Mietwohnungen im Stadtgebiet im Alltag begleitet. Das einstige Mutterhaus wurde Anfang der 80er Jahre baulich saniert und bot bis Juni 2017 für 30 Menschen mit kognitiver Einschränkung eine Heimat.  Seit dem Umzug von 24 Bewohner*innen in einen Neubau im Parkgelände wurde das Haus bis November 2021 nur noch sechs Bewohner*innen auf zwei Etagen . Für die Zeit der Sanierung haben sie Wohnungen in der Stadt bezogen. Seither steht das Gründungshaus leer. Jetzt soll hier neues Leben einziehen, schließlich sind die Plätze der Einrichtung gefragt. „Wir haben Wartelisten für unsere Wohnbereiche“, so Britta Schelian, die seit Mitte 2017 die Einrichtung leitet, und Holger Griebel, Geschäftsbereichsleiter Behindertenhilfe in der Skd. Die Verantwortlichen sind sich einig: „Wir freuen uns, dass unser geschichtsträchtiges erstes Mutterhausbestehen bleibt und der Betrieb künftig wieder mit seiner ursprünglichen Bestimmung – dem Zuhause für Menschen mit Behinderungen – aufgenommen werden kann.“