Bad Kreuznach | Weltfrühchentag: Bastian und der rote Kugelschreiber

Eigentlich sollte Bastian das Glück von Nadine und Andreas Staudt aus Dickenschied im Rhein-Hunsrück-Kreis perfekt machen. Doch als er vor vier Jahren viel zu früh zur Welt kam, war er gerade mal so lang wie ein Kugelschreiber. Anlässlich des Weltfrühchentages am Dienstag, 17. November 2020, erzählen die Beiden was es bedeutet, wenn man zusammen mit den Ärzten der Stiftung kreuznacher diakonie Wochen und Monate um das Leben seines Babys kämpfen muss, das in der 26. Schwangerschaftswoche zur Welt kam. Sie wollen anderen Eltern Mut machen.

Nadine und Andreas hatten sich ein Kind gewünscht. 2016 hat es endlich geklappt: Nadine war schwanger und die ersten Monate verliefen perfekt. „Komplikationslos. Ich war sehr vorsichtig und die Ultraschalluntersuchungen waren unauffällig. Alles super!“, erzählt die heute 34-jährige Mama von Bastian. Sie vermutet, dass ein bakterienverseuchter Salatteller der Auslöser war, dass sich innerhalb weniger Stunden die Bilderbuchschwangerschaft in einen Albtraum verwandelt hat.

Dr. Michael Kumbartski, Chefarzt der Gynäkologie und Geburtshilfe am Diakonie Krankenhaus Bad Kreuznach, weiß, dass „nicht nur Rohmilch-Produkte eine Infektion auslösen, die zu einer bedeutsamen Komplikation in der Schwangerschaft führen kann.“ Er und Dr. Christoph von Buch, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin, plädieren grundsätzlich dafür, Schwangerschaft nicht als Krankheit zu betrachten.

Die Experten des Pränatalzentrums Level 1 wissen, dass viele Eltern Schuldgefühle haben, wenn ihr Kind zu früh geboren wird. Was die Frühgeburt ausgelöst hat, lässt sich in Nadines Fall nicht sagen. Dr. von Buch, der am Dienstag, 17. November, bei Antenne Bad Kreuznach zu hören sein wird: „Es muss auch mal möglich sein, einen Salat zu essen.“ Wer die angebotenen Vorsorgeuntersuchungen wahrnimmt, hat schon vieles richtig gemacht.

Noch heute, vier Jahre später, kann Nadine Staudt fast auswendig erzählen, was vor, während und in den Monaten nach der Geburt von Bastian passiert ist. Sie erzählt von den schlaflosen Nächten, Zusammenbrüchen, stumpfem Warten, kleinen Glückmomenten und von Menschen, die nicht verstehen konnten, dass Nadine und Andreas sich nicht mit Freunden treffen wollten, während ihr Kind im Krankenhaus Mühe hatte, selbständig zu atmen.  „Wir haben in dieser Zeit nur funktioniert!“, sagt Nadine, die heute mächtig stolz auf Bastian, ihren kleinen Kämpfer, ist.

Die gelernte Arzthelferin berichtet, wie Bastian sich trotz der Tatsache, dass er nur 670 Gramm wog, zunächst prima entwickelte. Jeden Tag waren Mama und Papa am Brutkasten des kleinen Jungen. Eine Serie von Fotos zeigt einen fast riesig wirkenden roten Kugelschreiber vor dem Baby. Wochenlang haben seine Eltern ihn immer wieder neben diesem Stift fotografiert – voller Sehnsucht und Hoffnung, dass der Junge bald nach Hause kommt und dann ein „normales“ Leben mit Kind beginnt.

Dr. Christoph von Buch weiß, was die Eltern durchmachen: „Frühchen kommen nicht nur kleiner und untergewichtig zur Welt. Die Kinder werden unreif geboren. Damit sind sämtliche Organe unreif und in ihrer Funktion verletzlich. Das betrifft vor allem die Lunge, den Magen-Darm-Trakt und die Verdauung von Muttermilch und die Nieren.“

Auch bei Bastian tauchten Probleme auf: Das Gehirn wies Schädigungen auf, die letztendlich dazu führten, dass ihm in der Mainzer Universitätsklinik ein Shunt gesetzt werden musste, der Flüssigkeit aus dem Gehirn ableitet. „Der Kinderarzt der Diakonie hat uns damals nach Mainz begleitet“, erinnert sich Nadine Staudt, die immer noch ganz begeistert von der Atmosphäre und der Fürsorge im Bad Kreuznacher Diakonie Krankenhaus erzählt. Abgesehen von diesem Shunt, den die Mutter zuhause pflegerisch versorgt, hat sich Bastian normal entwickelt. Er geht in den Kindergarten und spielt im Matsch. „Ich bin keine übervorsorgliche Mutter geworden“, sagt Nadine Staudt, die Mitte Januar 2020 in der Hunsrück Klinik in Simmern einen zweiten, vollkommen gesunden Jungen zur Welt gebracht hat. Sie hat aber auch Bastian jede Fördermöglichkeit geboten, die es gab. Dr. Christoph von Buch lobt dieses Engagement der Mutter und fördert in der Klinik das Zusammensein von Eltern und Kind: „Die Begleitung und Förderung der frühgeborenen Kinder ist von Anfang und im weiteren Verlauf von immenser Bedeutung für die weitere Entwicklung!“

Unterstützung gibt es auch nach dem Krankenhaus-Aufenthalt. Die Elternschule der Stiftung kreuznacher diakonie lädt regelmäßig dazu ein, den Frühchentreff kennenzulernen. Dort können sich betroffene Familien mit Eltern austauschen, die ähnliches erlebt haben.

Es hat lange gedauert bis Andreas und Nadine dazu bereit waren, ein zweites Kind zu bekommen. „Die Angst saß zu tief!“, erzählt Nadine Staudt, die allen Frühcheneltern sagen will, dass irgendwann Licht am Ende des Tunnels kommt: „Meinem Kind geht es heute gut!“

Unterstützung statt Nockerberg:

Die Ossig-Stiftung, die seit Jahren die Kinder- und Jugendmedizin des Diakonie Krankenhauses Bad Kreuznach unterstützt, ruft anlässlich des Weltfrühchentages zu Spenden auf, um neue Beistell-Bettchen für das Krankenhaus zu finanzieren. Gründer Dr. Karlheinz Ossig verweist darauf, dass normalerweise Veranstaltungen wir der Nockerberg der Fidelen Wespen e. V. zur Spenden-Werbung genutzt wurde: „Die Pandemie erschwert es das notwendige Geld zu sammeln, daher der Spendenaufruf für die Beistellbettchen, die es Müttern ermöglichen direkt ihr Kind neben sich zu haben. Jeder Betrag hilft.“ 

Spendenkonto der „Ossig-Stiftung“-Förderverein Kinderklinik e. V.: Sparkasse Rhein-Nahe IBAN: DE96560501800017004334, BIC: MALADE51KRE