Wenn auf der Kirmes am späten Samstagabend Autoscooter gefahren wird, ist das im Vergleich zum Power Wheel Chair-Training der „Star Drivers“ in Bad Kreuznach ein Sonntagsausflug mit der Angebeteten im Oldtimer-Cabrio. Die Damen und Herren, die jeden Donnerstag in der Theodor Fliedner Halle in Bad Kreuznach beim Verein Sportfreunde Diakonie trainieren, gehen richtig zur Sache. Sie trainieren für die 1. Hockey- Bundesliga, die am 23. Oktober wieder ihren Spielbetrieb aufnehmen will. Ihr Trainer ist Jürgen Erdmann-Feix, Diplom-Sportlehrer bei der Stiftung kreuznacher diakonie, der einzige Läufer der Elektro-Rollstuhl-Truppe.
Heidi Müller, Leiterin der Abteilung bei den Sportfreunden der Diakonie, erklärt: „Hockey ist der einzige Sport für Menschen mit Behinderung, bei dem nur echte Rollifahrer starten dürfen. Das heißt auch: Jeder – egal ob mit oder ohne Beine, ob mit oder ohne Arme oder ob jemand seinen Rolli mit dem Mund steuert – ist ein richtiger Teil des Teams. Und wenn die Mannschaft aufs Feld geht, gibt es kein Pardon.“ Das hört und sieht man an diesem Tag in der Fliedner Halle: Reifen quietschen, Schläger krachen und die Sportrollis, von denen einer schon mal 15.000 Euro kostet, schrammen hart aneinander. Hier sind Leistungssportler am Werk. Wer keinen Schläger halten kann, hat ein Schlagschild vorne am Rollstuhl montiert, das die Spieler entweder mit dem Joystick oder – wie Torwart Thomas Knoth, einer von drei Nationalspielern im Team – mit dem Mund auslösen.
Auf zwei Beinen – egal ob als Zuschauer, Schiri oder Assistent – sollte man nicht auf dem Feld sein, wenn die schnellen, wendigen Rollstuhlfahrer gegeneinander starten. Trainer Jürgen Erdmann-Feix, der den Verein und die Abteilung vor fast 30 Jahren mitgegründet hat, erklärt: „Mit diesen Rollis kann man tanzen, so schnell und wendig sind sie!“ Von den Handicaps, mit denen die Sportler leben müssen, erzählen er und Heid Müller. „Heute konnte eine Spielerin nicht zum Training kommen, weil in ihrem Wohnhaus der Aufzug kaputt ist. Dann heißt es lapidar: Sie müssen eben in Ihrer Wohnung bleiben.“ Die Frau spielt auch in der Bundesliga-Mannschaft. Männer und Frauen sind hier gleichberechtigt - „nur“ der kaputte Aufzug grenzt sie heute aus. Barrierefreier ÖPNV ist auch ein großes Thema! In der Mannschaft sind leider nur Spieler, die durch den Einsatz von Freunden, Familien und Assistenten am Training und den Spielen teilnehmen können. Die Nutzung von Bussen oder Bahn sind selbst in der Stadt Bad Kreuznach keine Verkehrsalternative für die Leistungssportler der „Star Drivers“. Sie alle können zahllose Geschichten darüber erzählen: Vorausschauende Planung und komplexe Organisation ihres Lebens gehören zum Alltag. Hinzu kommt das Thema Geld. Die Rollstühle sind privat und über den Verein finanziert, ebenso wie die geplante Anreise zum nächsten internationalen Turnier im November in Flandern (Belgien).
Torwart Thomas Knoth sagt: „Eine Behinderung liegt für mich vor, wenn eine Beeinträchtigung eines Menschen physischer oder psychischer Art aufgrund gesellschaftlicher Verhältnisse zu Einschränkungen des Beeinträchtigten führen.“ Er spielt neben Hockey auch noch Boccia mit Hilfe einer Rampe, über die er die Bälle platziert. Achtmal hintereinander (2010-2017) war er Deutscher Meister im paralympischen Boccia der Klasse BC3 (einer Einstufung nach dem Grad der körperlichen Einschränkung). Er war bei der Weltmeisterschaft 2016 in Peking, hat an den Europa-Meisterschaften 2013 und 2017 in Portugal teilgenommen und eine Bronzemedaille im BC3-Paarwettbewerb der Regional Open in Posen 2017 gewonnen. Seit 2010 ist er Teammitglied der Boccia-Nationalmannschaft.