Bad Kreuznach | Digitale Bildungsbegleiter helfen Seniorinnen und Senioren

Ilse Kohl kommt mit dem nötigen Werkzeug zur Schulung im Elisabeth Jaeger Haus: Ganz selbstverständlich stellt sie ihr kleines Tablet vor sich auf den Tisch, ruft das auf, was sie jetzt gerade braucht, um sich dann in ihrem Rollstuhl zurückzulehnen und ihre Aufmerksamkeit auf die beiden Referentinnen zu richten. Ilse Kohl ist 80 Jahre alt. Neben ihr sitzt die 81-jährige Inge Heikhaus vor dem aufgeklappten Laptop. Sie hat zusätzlich noch einen Block und Stifte vor sich liegen. Die beiden haben sich dazu entschlossen, „Technikbegleiterinnen“ zu werden und gemeinsam mit vier weiteren Teilnehmern an einem besonderen Pilotprojekt mitzuwirken. Wenn sie geschult sind, werden sie den Bewohnerinnen und Bewohnern der Einrichtung der Seniorenhilfe der Stiftung kreuznacher diakonie mit Rat und Tat beiseitestehen.

Wie kann digitale Teilhabe im Betreuten Wohnen oder in Pflegeeinrichtungen gelingen? Dieser Frage geht gerade das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Digitale Bildungsprozesse älterer Menschen in seniorenspezifischen Wohnformen“ (DiBiWohn) nach. Für Rheinland-Pfalz konnte die Stiftung MedienKompetenz Forum Südwest der Medienanstalt RLP (MKFS) das Elisabeth Jaeger Haus als Piloteinrichtung gewinnen. Einrichtungsleiter Diakon Michael Stahl sieht in diesem Projekt „eine große Chance für uns, wissenschaftlich begleitet, unseren digitalen Kommunikationsprozess für

Mieterinnen und Mieter sowie Bewohnerinnen und Bewohner zu verbessern. Wir haben schon während der Corona-Pandemie damit begonnen, via Tablet und Smartphone zu kommunizieren und hoffen jetzt, diese Fähigkeiten mit dem Projekt ausbauen zu können und über ausgebildete Technikbegleiterinnen und -begleiter zu verfügen“. Ilse Kohl kann das nur bestätigen: „Das Skypen war für uns eine große Hilfe. Dreimal pro Woche hatte ich so Kontakt zu meiner großen Familie und es hat meinen Mann geistig am Leben gehalten“, berichtet sie. Weil sie möchte, dass auch andere in den Genuss kommen, nimmt sie an dem Projekt teil.

Den beiden Referentinnen, Projektleiterin Siglinde Bröder und der akademischen Mitarbeiterin Anja Thimel (beide von der MKFS) war die Freude anzumerken, jetzt endlich von der theoretischen Projektphase, die immerhin schon 2020 begonnen hat,  in die Praxis zu gehen. Im Elisabeth Jaeger Haus gingen sie zunächst darauf ein, wie vielfältig Medienbildung ist. „Wir müssen nicht fragen, ob die Älteren reif für das Internet sind, sondern ob das Internet reif ist für die Älteren“, zitierten sie die frühere Bundesministerin Prof. Dr. Dr. Ursula Lehr. Zunehmend erwarten Krankenkassen oder Banken und Versicherungen, dass die Korrespondenz digital erfolgt. Hier werden die Technikbegleiterinnen und -begleiter jetzt genauso geschult wie im Umgang mit Video-Telefonie, damit sie bei Fragen helfen und unterstützen können.

Dass Deutschland nach Japan und Italien das drittälteste Land der Welt ist, überrascht die Schulungsteilnehmer sehr: 1990 gab es hier 2600 Menschen, die älter als 100 Jahre waren; 2017 sind es schon 17 000. Gerade deshalb werden die Teilnehmer auch bei den nächsten Terminen im Juni viel darüber lernen, wie sie bei denen, die sie künftig begleiten werden, am besten an früher erlernte und vertraute Inhalte anknüpfen können. Das Pilotprojekt selbst ist auf fünf Jahre ausgelegt und wird bis 2025 laufen. Auf die Ergebnisse aus der wissenschaftlichen Begleitung sind alle Beteiligten jetzt schon gespannt.