"Was heißt denn hier schwierig?!"

(ac) Rock and Roll ist nicht unbedingt das, was man beim Betreten einer Station für altersverwirrte Patienten erwartet. Aber genau das ist der Sound zur Stuhlgymnastik. Im Kreis sitzend, wippen Arme, Beine und Hüfte. Es ist die P1 des Fliedner Krankenhauses in Neunkirchen, die Station auf der sich Simone Ecker sich um Menschen kümmert, die an Demenz oder anderen Erkrankungen leiden, die dem Gebiet Geronto-Psychiatrie zugerechnet werden.

Ihre Schützlinge auf der 18-Betten-Station sind meist über 65, haben Schwierigkeiten, sich zu orientieren und leiden bisweilen an Ängsten und Wahnvorstellungen. „Zu uns kommen Menschen, die im häuslichen Umfeld, im Seniorenheim oder auch auf den Stationen anderer Fachabteilungen keine geeignete Versorgung finden und die oft als schwierig gelten“, erzählt die 29-Jährige aus Rohrbach. Nicht wenige sind depressiv und selbstmordgefährdet. Manche rufen um Hilfe, aus einer inneren Not heraus, nicht weil ihnen etwas fehlt. Andere schlagen um sich. Wie steckt man das weg? „Ich nehme das nicht persönlich“ berichtet Ecker. „Seit ich hier arbeite, frage ich mich viel öfter: Warum tut jemand etwas? Vielleicht erinnere ich den Patienten an jemanden, der gemein zu ihm war oder ihm Angst gemacht hat. Dann kann es sinnvoll sein, dass eine Kollegin weitermacht und ich gehe zu jemandem, der mit mir besser klar kommt.“

Ist es nicht einfacher, auf Stationen zu arbeiten, auf denen der Gemütszustand nicht ständig von einem Extrem ins andere umschlägt? „Ich würde nicht mehr woanders arbeiten wollen“, sagte Simone Ecker entschieden. Sie hat während ihrer Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin unterschiedliche Fachrichtungen kennengelernt und danach zunächst auf einer Station der Inneren Medizin gearbeitet. Nach deren Schließung wechselte sie auf die P1. „Natürlich ist das auch fordernd, aber man lernt, damit umzugehen. Vor einigen Jahren etwa habe eine alte Dame sie gefragt: „Wo ist meine Mama?“ „Ich wollte unbedingt ehrlich sein und habe gesagt, dass ihre Mama längst gestorben sei. Die Frau war erschüttert. Heute würde ich bei so einer Frage eher ausweichen und sagen, dass die Mama gerade nicht im Krankenhaus sein kann, aber dass ich mich jetzt um sie kümmere.“

Ihr gefällt, dass es auf der P1 einen weniger starren Ablauf gibt als andernorts. „Wenn wir voll besetzt sind, können wir uns wirklich gut um die Patienten kümmern, und zwar dann, wenn sie uns brauchen, nicht wenn es gerade von der Struktur so vorgesehen ist. Wenn jemand unruhig ist, dann gehe ich mit ihm raus oder versuche seine Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu lenken, wie bei der Aromatherapie. Ist jemand antriebsarm, dann hilft es, zu reden oder eine kleine Beschäftigung.“

„Nach dem Abi war immer klar, dass ich etwas mit Menschen machen will“, sagt Simone Ecker. Ein Freiwilliges Soziales Jahr brachte sie ans Fliedner Krankenhaus, dem sie seither die Treue hält. Während unseres Gesprächs blickt sie immer wieder in den Korridor. Die Türen stehen auf, es ist keine geschlossene Abteilung, aber eine, die über einen Flurdienst verfügt, den die Pfegekräfte abwechselnd wahrnehmen. Heißt konkret: Eine(r) sitzt im Flur und passt auf, dass nichts passiert und niemand ausbüxt. „Dieses Gucken, ob alles okay ist, habe ich echt verinnerlicht, egal ob ich Flurdienst habe oder nicht.“

Und was hilft ihr abzuschalten? Kurzes Überlegen. „Sport. Handball. Außerdem bekomme ich viel zurück.“ Wie bestellt rollt eine alte Dame heran, ruft: „Schön, dass Du da bist!“ „Sehen Sie, deshalb arbeite ich hier gerne.“ Und dann singen sie zusammen: „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben.“