Bad Kreuznach | Aufarbeitung sexueller Gewalt in der Geschichte der Skd

Blick auf das Mutterhaus der Stiftung kreuznacher diakonie

Mutterhaus Stiftung kreuznacher diakonie

Die Stiftung kreuznacher diakonie hat den Historiker Dr. Sascha Topp damit beauftragt, das Thema sexualisierte Gewalt in der Geschichte des Trägers aufzuarbeiten. Anlass dafür sind unter anderem Verdachtsfälle, in denen Kinder und Jugendliche in der Obhut der Stiftung mutmaßlich Opfer von sexuellen Übergriffen wurden. Der Untersuchungszeitraum fokussiert sich auf die Zeit von 1950 bis in die 1970er Jahre.

Unabhängig von der Frage, ob juristische Konsequenzen aufgrund der Verjährungsfristen noch erwartet werden können, ist es der Stiftung kreuznacher diakonie wichtig, dieses Thema mit unabhängigen Experten aufzuarbeiten. Entsprechend dem Leitbild: „Wir tragen gemeinsam Verantwortung“, werden auch aktuelle Hinweise auf vergangene Fälle untersucht.

Die Heimerziehung der Jahre 1947 bis 1975 wurde bereits vor zehn Jahren im Auftrag der Stiftung kreuznacher diakonie von der Historikerin Dr. Ulrike Winkler aufgearbeitet und unter dem Titel „Es war eine enge Welt“ veröffentlicht. Darin wurde das Thema Gewalt in der Heimerziehung beleuchtet. Mit der Beauftragung von Dr. Topp geht die Stiftung den nächsten Schritt.

In der Veröffentlichung von Dr. Winkler wurde die Zeit der so genannten „schwarzen Pädagogik“ bearbeitet, die in einem eindeutigen Gegensatz zu den Schutz- und Präventionskonzepten der heutigen Praxis steht. Zudem hat die Stiftung seit Jahren entsprechende Schutzkonzepte sowie externe und interne Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner benannt, um aktuelle Fälle und Missstände zu bearbeiten.

Dr. Sascha Topp ist Zeithistoriker mit 20-jähriger Forschungserfahrung an mehreren deutschen Universitätsstandorten und bei der Max-Planck-Gesellschaft. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit zählen die Medizin- und Wissenschaftsgeschichte im 19. und 20. Jahrhundert sowie die Entwicklung von Erinnerungskulturen in der deutsch-deutschen Vergangenheit. Die Dissertation zur Frage des Umgangs mit den nationalsozialistischen „Euthanasie“-Verbrechen in der Nachkriegsmedizin wurde 2015 mit dem Herbert-Lewin-Forschungspreis des Bundesministerium für Gesundheit, der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung ausgezeichnet. Anschließende Projekte unter Beteiligung von Sascha Topp fokussierten den historischen Werdegang medizinischer Disziplinen wie die Psychiatrie und die Kinder- und Jugendpsychiatrie nach 1945. Dr. Topp wird in den Archiven der Stiftung und anderer Institutionen forschen und mit Zeitzeugen sprechen. Er wird Hinweise prüfen und der Frage nachgehen, ob es in dieser Zeit zu sexuellen Übergriffen gekommen ist. Dabei werden auch die damaligen Strukturen analysiert, die möglicherweise sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen den Boden bereitet haben könnten. Sobald die Untersuchung abgeschlossen ist, werden die Ergebnisse veröffentlicht. Der Abschluss der Untersuchungen wird voraussichtlich im Herbst 2024 erwartet.